Wenn ich es beschreiben möchte, vermeide ich den Begriff “wandern” bewusst.
“Wandern”, das klingt nach großem Rucksack, Anglerhut, nach festem Schuhwerk und Jakobsweg. Nach Hochschullehrern im Ruhestand und dem vergnüglichen Schnaufen durch die Rhön oder die Sächsische Schweiz. Nach klaren Tagesetappen und zeitlich geplantem Absacker im auf Google Maps gut bewerteten Restaurant.
Nichts gegen all das (you do you, liebe Hochschullehrer im Ruhestand!), aber das ist nicht, was ich tue. Zum Einen: Nur wenig bis keine Vorbereitung; nur kleines bis kein Gepäck; nur ein grober bis gar kein Plan. Zum Anderen: … hmmmm.
Hmm.
Einer meiner Lieblingsautoren, der in Japan lebende US-Amerikaner Craig Mod, schreibt großartige, berührende Essays und Büchern über das “Walking”. Seine Walks sind sehr oft sehr lang; genügen mir meist
Nur: Diese Fülle an Bedeutungen macht es mir schwer, ein passendes deutsches Wort für diesen allumfassenden Begriff “Walk” zu finden. Oder… ist das Wandern, und Anglerhut und Pilgerweg sind optional‽
Aber vielleicht ist das genaue Benennen auch nicht notwendig; möglicherweise reicht die Beschreibung aus, so dass Du auch trotz meines Mangels an passenden Worten verstehst, welche Gefühle ich beschreiben möchte. Oder aber Du würdest auch nach hunderten weiteren Worten nur freundlich mit den Schultern zucken. (Beides okay, so oder so danke für’s Lesen.😉)
Sei’s drum: Ich wandere also.
An manchen Tagen ist kein Walk einfach keine Option, dann drängt es mich raus, Strecke machen. Vielleicht muss ich meinen Kopf lüften; vielleicht fühlt sich die Welt gerade mal wieder an wie ein viel zu enger Sweater; vielleicht stecken Ideen und Gedanken fest und brauchen das, was die alten Römer mit solvitur ambulando (“es wird durch Gehen gelöst”) beschrieben haben. Carlo braucht etwas Carlo-Zeit, let’s roll.
Die Runde heute führt mich zum Quellental in Glücksburg. Erstmal nach Westen, raus aus der Stadt. Hinter mir Mürwik, vorbei an gepflegten Reihenhäusern, durch die kleinen Straßen mit den schmucken Einfamiliendomizilen. Ich sehe die Strebergärten mit ihren immer viel zu kurzen Rasen, die der Sonne nichts mehr entgegenzusetzen haben, in denen die obligatorischen Mäh- bald durch Staubsaugerroboter ersetzt werden können, wenn dann nur noch Staub zwischen den Hecken und Büschen liegt. 🤷🏻♂️ Hinter der letzten Siedlung in Tremmerup empfängt mich der alte freundliche Wald wie eine kühle Dusche, die Hitze fällt von mir ab. Adäquat holprige Waldwege führen mich unter hohen Baumkronen an kleinen Seen und Moorflächen vorbei, ich erahne Meierwik mit seinem fantastischen Blick über die Förde mehr als dass ich es durch die Büsche sehe. Durch Zufall entdecke ich den Roikier See;1 die Reflexionen der Sonne zwischen all den Seerosen lässt mich fast erblinden, und ich habe Kindheit-Flashbacks an Zeltplatzurlaube und Faltboot-Ausflüge zu Waldseen. Kurze Pause für die obligatorische Handvoll Brombeeren, eine Radfahrerin ruft mir lachend “Guten Appetit” zu. Thanks, girl! Ich glaube, bis jetzt habe ich hier im Wald max.
Eine halbe Stunde später erreiche ich das “Quellental”, ein schönes kleines Café/Restaurant am gleichnamigen Ausflugsgebiet direkt neben einem poshen Yachthafen. Hier kann man gut essen! Neue Erfahrung: nur die Kuchen sind ausg’schamt teuer und (schlimmer) der Kaffee ist dünnes Mittelmaß, trotz Siebträgermaschine. Ich hatte große Hoffnungen, Quellental.2 😢
Der Rückweg führt mich oben am waldigen Steilufer entlang, die Förde nur einen Steinwurf und/ oder schreienden Sturz entfernt. Das Quellental ist ein großer Wald, der auch einen Ruheforst beherbergt. Es ist schön und wundervoll ruhig hier, wirkt aber in den
Ich halte mich in Ufernähe, und komme nach einer knappen halben Stunde nach Meierwik, einem Ortsteil von Glücksburg, der nahtlos an Flensburg anschliesst (und somit definitiv näher an FL als an Glücksburg liegt). Dann kommt Solitüde, wo ich mich jedesmal auf’s Neue frage, wie ich wohl an so ein be-nei-dens-wert gelegenes Grundstück komme, und damit bin ich fast schon wieder daheim.
Knapp
Ganz egal, wie ich es nenne: Walk, Wanderung, whatever. Es tut mir gut.
Dieser Post ist Teil meines “Fresh in Flensburg”-Newsletters. Ab Mitte April 2022 schreibe ich für knapp 6 Monate jede Woche eine Mail mit Eindrücken, Erlebnissen und vielleicht auch Fotos zu und aus “meiner” neuen Stadt. Ausgabe #25 wird das Staffelfinale.
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