Reden wir über unseren Energieverbrauch

In diesem Blogpost zeige ich anhand von konkreten Beispielen auf, wie man recht einfach den Energieverbrauch im eigenen Heim senken und somit potentiell viel Stromkosten sparen kann. Let's go!

Seit wir im vor drei Monaten im April 2022 die Stadtwerke Flensburg als unseren Stromversorger ausgewählt haben, sind die Preise für die Kilowatt-Stunde um ~17% gestiegen. Unser aktueller Preis ist für 12 Monate fixiert auf 50,07 ct/kWh, aber … you know. Die neue Klimarealität, die wirklich gute Agenda Flensburg 2030, das faschistische Großmachtsstreben des russischen Zaren, plus diverse andere Faktoren — all das spricht dafür, den eigenen Energieverbrauch zu überdenken.

Die großen Brocken sind schon weg

Ja, mit den großen Baustellen auf diesem Feld haben wir uns schon befasst:

  1. Wir haben uns vom Wohnraum her verkleinert, nicht zuletzt auch, weil ein Haus in der Größe unseres alten für 2-3 Personen komplett überdimensioniert war. Die Umgewöhnung auf eine Wohnung war nicht allzu schwer, in Gesamtheit betrachtet. 😉
  2. Wir fahren primär ÖPNV und nur noch sehr selten mit dem Auto. Flensburg ist übersichtlich und hilft dabei; die Öffis sind gut ausgebaut, und die Stadt ist sehr Fußgänger- und Bike-freundlich.
  3. Wir haben aus Überzeugung seit Jahren keine Flugreisen mehr gemacht, auch wenn wir Stockholm und Skandinavien schon hart vermisst haben. Nur: wenn mir die Umwelt wichtig ist (und ich darum z.B. bei einem auf Umweltschutz begründeten Unternehmen (☕️) arbeite), dann kann ich schlecht für die Urlaubsreise in ein Flugzeug steigen (und innerhalb von ein paar Stunden meine gesamte gute Arbeit des letzten Jahres negieren). Ich weiss um CO₂-Kompensation für Flüge, und dass sie besser als keine CO₂-Kompensation ist, aber ich habe auch genug darüber gelesen, um zu verstehen, dass das Konzept zu 75% Greenwashing-Augenwischerei ist. 1 (Das ist kein Diss an Menschen, die im Urlaub in die Ferne wollen — aber bitte seid realistisch, wie gut oder schlecht dieses System wirklich funktioniert, denn es ist faktisch kein Ausgleich.)

Es bleibt der tägliche Verbrauch in den eigenen vier Wänden

Zwei Fragen, die wir uns anschliessend also gestellt haben:

  1. Was brauchen & möchten wir an elektrischen Geräten?
  2. Was verbrauchen diese Geräte, und vor allen Dingen: wann?

Die erste Frage haben wir größtenteils schon im Rahmen des Umzuges und dem damit verbundenen Reduzieren von Dingen beantworten können (siehe Fresh in Flensburg #4: 12 Kisten). Die Liste unserer Geräte ist ziemlich geschrumpft, also habe ich mich mit Frage #2 befasst.

Eins meiner Lieblingstools ist der Energiekosten-Monitor, der zwischen Steckdose und Gerät platziert wird und den Verbrauch des eingesteckten Gerätes misst. (Ich nutze hier einen einfachen REV Energiekosten-Monitor — die gibt’s in jedem Baumarkt, z.B. für 12€ bei Bauhaus). Er zeigt sowohl den aktuellen als auch den gesamten Verbrauch über den Messzeitraum auf, somit kann ich einfach erkennen, wieviel Energie z.B. der TV im Standby und/oder im Betrieb benötigt. Lehrreich.

Über die letzten paar Tage habe ich also alle dauerhaft stromversorgten Geräte auf den Prüfstand gestellt. Spoiler: das bisschen Standby hier und da ist in Summe nicht zu unterschätzen.

Watt kostet die Welt

Ein Gerät, welches rund um die Uhr 1 Watt (W) verbraucht, verbrennt im Jahr 8,76 Kilowattstunden (kWh). Bei einem aktuellen/ angenommenen kWh-Preis von ~0,57 € bedeutet das ~5,00 €/Jahr.

Gute Faustformel für den Juli 2022: 1 W/h = 5 €/Jahr.

Sorry für die doofe Zwischenüberschrift.

Konkrete Beispiele und Rechnungen

Auf meinem Schreibtisch stehen derzeit u.A. ein Laptop-Dock, ein 34"-Monitor und ein Paar Lautsprecher (die ich wirklich selten benutze). Wenn der Laptop nicht angeschlossen ist, verbrauchen die Geräte im Standby-Modus zusammen ca. 6 W. Die Standby-Zeit beträgt pro Tag durchschnittlich 18 Stunden:

  • 6W = 30 €/Jahr = 52,56 kWh
  • 18 h sind 75% des Tages
  • 75% von 30 € = 22,50 € = 39,42 kWh

Ein zweites Beispiel: unsere FritzBox (der Router) läuft 24/7 und mümmelt dabei 10 W/h, weil sie keinen Standby-Modus kennt. Das klingt erstmal nicht viel, aber:

  • 10W = 50 €/Jahr = 87,60 kWh

Anders gesagt: der Betrieb dieses Gerätes kostet pro Monat ~4,17 €.

Beispiel #3: der FritzRepeater läuft ebenfalls rund um die Uhr und verbraucht 3 W/h.

  • 3W = 15 €/Jahr = 26,28 kWh

Mal abgesehen von den steigenden Kosten: hier verbrauchen Dinge sinnlos Energie. Wenn ich nicht arbeite, müssen mein Dock, Monitor und Lautsprecher nicht in Bereitschaft auf mich warten. Wenn wir schlafen, benötigen wir weder Router noch WLAN…

Wenn ich es nicht benutze, warum verschwende ich dann Energie dafür, und warum bezahle ich es? Aus Gründen des Luxus‽ Fuck that noise. Hier sehe ich meinen Beitrag zur Energiekrise. (Mehr dazu gleich.)

Das waren lediglich drei konkrete Beispiele aus unserem Haushalt. In vielen anderen Wohnungen stehen auch Smart Speakers (Alexa/ Google Nest/ Apple), dicke Boxen, 55"-TVs etc.

Einfach mal abschalten

Hier ist ein kleines, aber wichtiges Detail zu vielen Geräten: wenn es keinen mechanischen Schalter besitzt, um es an- und abzuschalten, wird die Stromzufuhr des Gerätes von einem elektronischen Bauteil gesteuert.

Was funktioniert nicht ohne Strom? Yep: Elektronik. Touch-Panels und -Tasten? Elektronik. Fernbedienung? Elektronik. Das heisst, Geräte mit derlei Aktivierungen verbrauchen nie keinen Strom.

Aus diesem Grund präferiere ich mechanisch-elektrische Lösungen, die den Stromfluss physisch ermöglichen oder unterbrechen:

  • schaltbare Zwischenstecker (Beispiel, 4-5 €)
  • Steckdosenleisten mit Schalter (Beispiel, 3 €)
  • einzeln schaltbare Steckdosenleisten (Brennenstuhl, 27 €)
  • analoge Zeitschaltuhren (ich bevorzuge die Modelle von Theben, solide und sehr still, 15 €)
Foto-Kollage: eingesteckter Energiekosten-Monitor in einer Steckdose; eingesteckter Zwischenschalter in einer Steckdose
Power Couple Links ein Energiekosten-Monitor, rechts ein Zwischenschalter

Konkrete Ergebnisse

  • Auf meinem Schreibtisch ist eine einzeln schaltbare Steckdosenleiste installiert. Nach der Arbeit lege ich den Hauptschalter um, und alles ist abgeschaltet; während der Arbeit kann ich die Lautsprecher sowie andere selten benutzte Geräte wie den Scanner bei Bedarf zu- und abschalten. Einsparung: 39,4 kWh/Jahr
  • Zwischen Fernseher und Steckdosen sitzt ein Zwischenschalter. In den 20 h pro Tag, an dem wir das Gerät nicht benötigen, zieht es auch keine Energie. Einsparung: 7,3 kWh
  • Für den Router habe ich auf eine analoge Zeitschaltuhr zurückgegriffen. Zwischen 01:00 Uhr und 07:00 Uhr ist die FritzBox abgeschaltet — Einsparung: 21,9 kWh/Jahr
  • Beim Repeater greift das gleiche Konzept wie beim Router — Einsparung: 6,5 kWh/Jahr

Summe dieser Beispiele: 75,1 kWh/Jahr = 42,81 €/Jahr. Nicht irre viel, aber auch nicht wenig!

Die meisten Stromanbieter gehen bei einem 2-Personen-Haushalt von einem Verbrauch von 2500 kWh aus. Würden wir das tatsächlich verbrauchen, dann bedeuteten diese 75 kWh eine Einsparung von 3%, und sie müssen nicht für uns produziert werden.

Und die Geräte für die Reduktion (Schalter, Steckdosenleiste, Zeitschaltuhren) amortisieren sich spätestens im zweiten Jahr, selbst wenn wir total naiv davon ausgehen, dass die Strompreise nicht weiter steigen werden. Klingt nach einer guten Investition!

Mein Beitrag zur Energiekrise

Mein Beitrag ist das bewusste Verbrauchen von Energie.

Ich kann meinen eigenen Verbrauch beeinflussen — zumindest teilweise. Unsere Wohnung hat einen elektrisch betriebenen Durchlauferhitzer, ich kann also zwar die Menge an heissem Wasser beeinflussen, aber nicht, dass Wasser auf diese Weise erhitzt wird. Der Kühlschrank war ebenfalls schon fest verbaut und hat möglicherweise nicht die Energieklasse, die ich mir gewünscht hätte.

Lediglich die Geräte, die mir gehören, die ich betreibe, die kann ich steuern. Zeitschaltuhren für 24/7-Geräte, mechanische Schalter für Standby-Geräte.

Ja, jede:r von uns muss einen Beitrag leisten, denn dieser Standby-Energie-Luxus ist verdammtes 20.-Jahrhundert-Denken! Basically: Stecker raus wenn nicht gebraucht! Achte auf Deinen Verbrauch, wir dürfen unseren persönlichen Hedonismus nicht weiter über das Wohl der Gesellschaft stellen! Alles richtig, meiner Meinung nach.

ABER.

Die richtig großen Brocken sind nicht meine persönliche Aufgabe; wir sind Endverbraucher, wir können und müssen auch nicht alles abfangen, auch wenn uns die freie Wirtschaft diesen Eindruck sehr geschickt vermittelt hat. Gesellschaft und Industrien müssen sich ändern, und damit meine ich nicht nur die Auto-, Mode-, Nahrungsmittel-, Flugreisen-, Metall- oder Fossilbrennstoffindustrien, sondern auch den “Endless Growth”-Shit im Technologie Sektor und die NIMBY-Kacke wie z.B. das “Windenergie? Gern, aber nicht hier, wo es total schön ist”-Denken in Süddeutschland. (Das “BY” in “NIMBY” steht u.A. auch für “Bayern”.)

Kurz gesagt: ohne mehr Zusammenhalt lokal und global, ohne mehr Nachhaltigkeit, ohne reales Besteuern von Externalitäten (Umweltverschmutzung, Menschenverschleiss) in der freien Wirtschaft wird es nicht gehen.

Let’s make it happen, all of it. Fangt klein bei Euch daheim an, lasst uns ehrlich mit uns und unserer Umwelt sein, und darauf bestehen, dass für die nächsten Generationen nicht nur ein kleines Stück, sondern wieder ein ganzer Kuchen übrig ist.


Abschliessender “fun” fact

Das erste Amazon-Ergebnis für die Suchanfrage “Samsung TV” ist Samsung Crystal UHD 4K TV 55 Zoll (GU55AU7179UXZG), HDR, Q-Symphony, Boundless screen [2021] für 479 €. Samsung’s Produktseite beziffert den Stromverbrauch im Betrieb mit 101 W (SDR-Modus) bis 130 W (HDR-Modus).

Nehmen wir mal an, dass Samsung bei diesen Angaben nicht lügt 😂, und dass dieser Fernseher 5 Stunden pro Tag im Betrieb ist, dann verbraucht dieses Gerät bei einem 50:50-Mix dieser Bildmodi im Jahr 209,88 kWh bzw. 119,63 €.

Ich empfinde das als etwas absurd.


  1. Siehe Flüge und Klima: Wie sinnvoll ist CO2-Kompensation von Flugreisen? beim RedaktionsNetzwerk Deutschland. ↩︎

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Carlo Zottmann @czottmann