Donnerstagmorgen sind dafür da, um sich auf eine kulinarische Zeitreise in den Dezember 2015 zu begeben, indem man das Frühstück auf Spekulatius und Oblaten-Lebkuchen aus Getränkemarkt und/oder Tankstelle aufbaut.
Wem wie mir das trübe Herbstwetter und die fehlende Sonne zu schaffen macht, dem lege ich die Interview-Site Inspiranha meines Homies Georg ans Herz. Georg spricht mit Menschen, deren Arbeiten, Ideen und Projekte ihn inspirieren, nach ihren Geheimnissen und Beweggründen. Und beim Lesen bekommt man gute Laune, finde ich! Das ist nie verkehrt. In Georg’s eigenen Worten:
Hier kommen Menschen zu Wort, die etwas gefunden haben, was sie antreibt. Das über Motive wie Ruhm, Geld und Sex hinausgeht.
All diese Menschen kenne ich entweder seit Jahren persönlich, habe sie gerade erst kennengelernt oder nutze die Interviews als Masche, um Frauen aufzureissen.
Machen wir das Beste aus dem restlichen September.
Bis zur nächsten Ausgabe,
— Carlo.
Algenproteine gegen Blindheit
Artikel bei Singularity HUB «gtü» — Die US-Behörde FDA1 hat der Firma RetroSense Therapeutics LLC die Erlaubnis erteilt, ihre (noch) experimentelle Gentherapie in klinischen Phase-I/II-Tests an 15 menschlichen Freiwilligen mit Retinopathia Pigmentosa (RP)2 zu erproben. Die Therapie soll es den Augen der Patienten, die an zunehmendem Verlust ihrer Sehfähigkeit bis hin zu völliger Blindheit leiden, ermöglichen, neue Photorezeptoren aufzubauen — und damit die geschädigten retinalen Zellen zu umgehen.
Anders formuliert: RetroSense Therapeutics ist mit seiner Gentherapie anscheinend auf einem guten Weg, ein paar Arten von Blindheit zu umgehen.
Das wissenschaftliche Feld, um das es hier geht, nennt sich Optogenetik — die Steuerung von genetisch modifizierten Zellen durch Licht. Vor ein paar Jahren kam die Forschung auf die Idee, sog. “Transportproteine” zu nutzen, die in grünen Algen vorkommen. Diese Proteine docken sich an Zellen an und öffnen diese, wenn sie mit Licht in Berührung kommen. Durch diese Öffnung gelangen Ionen in die Zellen, und dann … passiert Wissenschaft! Je nach Zelltyp geschehen unterschiedliche Dinge; die Auswirkung bei den Zelltypen in der Retina, die nicht durch RP zerstört werden, ist die Entwicklung einer Licht-Wahrnehmung und die Weitergabe dieser sensorischen Signale ans Hirn. Die Sehfähigkeit wird (teilweise) neu hergestellt.
It sounds completely crazy: as early as next year, using gene therapy scientists hope to restore sight in the blind by giving their eyes additional “light sensors.” […]
In many eye disorders, such as retinitis pigmentosa or macular degeneration, the rods and cones gradually die off. This leads to progressively failing vision, and — without a cure — eventually turns one out of four sufferers legally blind.
These are cold, brutal diseases, but there is one silver lining: they leave ganglion and bipolar cells intact and still able to still communicate with the brain. […]
In 2006, Dr. Zhou Hua Pan, a researcher at Wayne State University, decided to stick the protein [channelrhodopsin-2] into mice that were genetically engineered for photoreceptor degeneration. It worked on the first try; in less than three months after a single treatment, the mice passed every vision test the scientists could throw at them.
“It worked perfectly, even in the very beginning,” Pan told Wired. “That was basically just really, really lucky.”
Pan’s success did not escape the notice of the biotech industry. In 2009, RetroSense Therapeutics […] leased the eye-wiring tech from Pan in a bid to bring it to human trials.
Die klinischen Tests sollen vor Jahresende beginnen.
Stanford University entwickelt “Elektronen-Kamera”
Meldunge des SLAC National Accelerator Laboratory «gtü» — Das Stanford Linear Accelerator Center in den USA hat eine neue “Elektronen-Kamera” entwickelt, mit der Aufnahmen von einzelnen Atomen in Bewegung gemacht wurden, während diese “Knitter” in einem Material erzeugten, das lediglich drei Atome dick war (sog. Monolagen 3) — und das in nur einer Trillionstel-Sekunde. Die erwähnte Bewegung wurde durch einen Laser erzeugt.
Jetzt einfach mal kurz innehalten und über diese letzte zwei Sätze nachdenken.
SLAC’s Ultrafast ‘Electron Camera’ Visualizes Ripples in 2-D Material
New research led by scientists from the Department of Energy’s SLAC National Accelerator Laboratory and Stanford University shows how individual atoms move in trillionths of a second to form wrinkles on a three-atom-thick material. Revealed by a brand new “electron camera,” one of the world’s speediest, this unprecedented level of detail could guide researchers in the development of efficient solar cells, fast and flexible electronics and high-performance chemical catalysts.
The breakthrough […] could take materials science to a whole new level. It was made possible with SLAC’s instrument for ultrafast electron diffraction (UED), which uses energetic electrons to take snapshots of atoms and molecules on timescales as fast as 100 quadrillionths of a second. […]
SLAC Director Chi-Chang Kao said, “Together with complementary data from SLAC’s X-ray laser Linac Coherent Light Source, UED creates unprecedented opportunities for ultrafast science in a broad range of disciplines, from materials science to chemistry to the biosciences.”
Dieses neue Instrument verspricht neue Möglichkeiten und Erkenntnisse in der sowie für die Entwicklung neuer Elektronik, Materialien, Solarzellen, Biotechnologie etc.
“Um zukünftige Technologien und Geräte entwickeln zu können und diese mit Licht zu steuern, um ihnen mittels systematischer Modifikationen neue Eigenschaften geben zu können, dazu müssen wir erst einmal die strukturellen Transformationen von Monolagen auf der atomaren Ebene verstehen”, so der Stanford-Forscher Ehren Mannebach, der diese Studie leitet. Die neue Kamera ist ein absurd beeindruckender Schritt auf diesem Weg des Verstehens.
Roboter auf Todesmission am Great Barrier Reef
Boulevardeske Headline: check!
Artikel bei CNET «gtü» — Am Great Barrier Reef vor der Küste Australiens geht seit Jahrzehnten die Korallen-Population zurück, teilweise alarmierend schnell. Das Reef stirbt. Einer der Gründe dafür ist der Dornenkronenseestern, der sich alle paar Jahre explosionsartig vermehrt und dann die Korallen wegmümmelt. Warum der Seestern sich so ungehemmt verbreitet, ist noch nicht zu 100% geklärt; Meeresbiologen vermuten, dass ein Auslöser dafür das industrielle Abfischen der natürlichen Fressfeinde des Seesterns ist.
Um dem Problem jetzt Herr zu werden, hat die Queensland University of Technology einen autonom arbeitenden Unterwasser-Roboter entwickelt «gtü», der selbständig das Reef patroulliert, selbständig Dornenkronenseesterne erkennt, und diesen selbständig eine Gallensäure-Injektion verpasst. Der Seestern stirbt dadurch, und steckt während seines Ablebens Artgenossen in seiner Umgebung an — ein tödlicher Domino-Effekt.
Called the COTSbot (Crown-of-Thorns Starfish robot), it’s designed to autonomously patrol and monitor the reefs without a tether, using robotic vision to find the starfish. When it locates a Crown-of-Thorns starfish, it will administer a lethal injection of bile salts from a pneumatic arm.
This is not a pleasant death for the starfish. It breaks out in blisters that burst open, exposing the internal organs. This condition is infectious and can be passed to other Crown-of-Thorns starfish. Infected starfish die within 24 hours, with a 100 percent mortality rate.
Über die Ursachen für diese ganze Geschichte sollte man nicht zu sehr nachdenken; die Gruppen, die das Reef retten wollen, und die, die möglichst viele Fische aus dem Meer holen wollen, würden sich in einem Venn-Diagramm vermutlich nicht überschneiden. Ja, es ist deprimierend.
Aber der Fakt, dass die QUT auf einen solchen Roboter zurückgreift, der macht mich an. Ich glaube schon, dass solche Technologien uns bei vielen unserer Probleme Fuck-Ups helfen können.
Der COTSBot. Quelle: Queensland University of Technology.
Der Tastsinn einer verlorenen Hand
Meldung der DARPA «gtü» — Die US-Behörde DARPA 4 hat vor ein paar Tagen vermeldet, dass sie einem gelähmten Freiwilligen …
- direkte Kontrolle über eine mechanische Hand gegeben haben (via Direktverbindung zum Hirn)
- sensorisches Feedback dieser Hand (Druckempfinden) zurück ins Hirn gesandt haben, und er es als das Tastgefühl seiner eigenen Hand wahrgenommen hat.
Eine Prothese mit Tastsinn!
A 28-year-old who has been paralyzed for more than a decade as a result of a spinal cord injury has become the first person to be able to “feel” physical sensations through a prosthetic hand directly connected to his brain, and even identify which mechanical finger is being gently touched.
The advance, made possible by sophisticated neural technologies developed under DARPA’s Revolutionizing Prosthetics points to a future in which people living with paralyzed or missing limbs will not only be able to manipulate objects by sending signals from their brain to robotic devices, but also be able to sense precisely what those devices are touching. […]
The clinical work involved the placement of electrode arrays onto the paralyzed volunteer’s sensory cortex—the brain region responsible for identifying tactile sensations such as pressure. In addition, the team placed arrays on the volunteer’s motor cortex, the part of the brain that directs body movements.
Wires were run from the arrays on the motor cortex to a mechanical hand developed by the Applied Physics Laboratory (APL) at Johns Hopkins University. That gave the volunteer—whose identity is being withheld to protect his privacy—the capacity to control the hand’s movements with his thoughts […]
Then, breaking new neurotechnological ground, the researchers went on to provide the volunteer a sense of touch. […] In the very first set of tests, in which researchers gently touched each of the prosthetic hand’s fingers while the volunteer was blindfolded, he was able to report with nearly 100 percent accuracy which mechanical finger was being touched. The feeling, he reported, was as if his own hand were being touched.
Mehr darüber bei der Wirtschaftswoche ( “Forscher entwickeln eine Handprothese mit Gefühl”) und beim Singularity HUB ( “This Robotic Hand Wired to a Brain Implant Restored a Paralyzed Man’s Sense of Touch”) «gtü».
Über eine “artverwandte” Meldung habe ich übrigens im Februar 2014 schon geschrieben — der Patient damals war in einer anderen Situation, die Implementation im Detail war eine andere, es ging um ein anderes Labor. ( Ausgabe #14, “Handprothesen mit Gespür”.) Aber ich finde solche Nachrichten so unglaublich faszinierend…
Zu guter Letzt…
Wenn ich die neue NadZ-Ausgabe zusammenstelle, sehe ich oft Stories, die ich interessant finde, zu denen ich aber nichts schreiben möchte. Solche Kurzlinks poste ich täglich auf Twitter (@municode#nadz) und gleichzeitig natürlich auch auf Facebook. Für die tägliche Portion NadZ schaut halt auch zwischen den Ausgaben hin und wieder mal dort vorbei! :)
Hier sind diese gesammelten Links seit der letzten Ausgabe.
Millennium Project releases “2015–16 State of the Future” report (KurzweilAI) «gtü»
Das Millennium Project hat seinen “2015-16 State of the Future”-Report veröffentlicht. Wohin geht die Reise? (Die Seite verlinkt auch einen kostenlose, 14-seitige “Executive Summary”-Zusammenfassung des Reports in PDF-Form).
The ultimate guide to artificial body parts (Hopes&Fears) «gtü»
Hopes&Fears’ “ultimate guide to artificial body parts” ist zwar nicht “ultimate”, aber übersichtlich & interessant.
Is Technology Unnatural—Or Is It ‘What Makes Us Human’? (Singularity HUB) «gtü»
Alphabet-owned company aims to build robots that rival humans and animals (The Guardian) «gtü»
Und hier ist ein Video von Boston Dynamics’ Atlas-Roboter, wie er auf zwei Beinen durch den Wald rennt.
My Life as a Robot (WIRED) «gtü»
Faszinierender Einblick in die Psyche einer Person, die Home Office macht und dabei per Roboter “im Büro” ist.
A computer taught itself to play chess at master level in just three days (Fusion) «gtü»
Der Computer heisst “Giraffe” und spielt nach drei Tagen des Lernens so gut wie die Top-2.2%-Schachspieler der Welt.
Op-Ed: How We Go to Mars (SpaceNews) «gtü»
Wie könnte eine Partnerschaft zwischen Staaten & Privatinvestoren aussehen?
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“Die amerikanische Food and Drug Administration (FDA, dt. Nahrungs-und-Medizin-Verwaltung) ist die behördliche Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde der Vereinigten Staaten. Als solche ist sie dem amerikanischen Gesundheitsministerium unterstellt.” Danke, Wikipedia. ↩︎
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“Die Bezeichnung Retinopathia pigmentosa oder Retinitis pigmentosa (RP) beschreibt eine durch Vererbung oder spontane Mutation entstehende Netzhautdegeneration, bei der die Photorezeptoren zerstört werden.” Danke, Wikipedia. ↩︎
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“Der Begriff Monolage (engl.: Monolayer) oder Monoschicht bezeichnet abhängig vom Fachgebiet eine Schicht von Atomen, Molekülen oder Zellen auf einer Oberfläche, wobei die Schichthöhe nur ein Atom, ein Molekül oder eine Zelle beträgt.” Danke, Wikipedia. ↩︎
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“Die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) ist eine Behörde des Verteidigungsministeriums der Vereinigten Staaten, die Forschungs-Projekte für die Streitkräfte der Vereinigten Staaten durchführt, u. a. auch Weltraumprojekte. Das jährliche Budget beträgt etwa drei Milliarden US-Dollar (Stand 2004).” Danke, Wikipedia. ↩︎