Neues aus der Zukunft #37: Die mit TrueNorth, OneWeb und der Frage nach den Roboter-Besitzern

Donnerstagmorgen sind dafür da, um wie bekloppt zu multitasken, als gäb’s kein Morgen. Hnnnngh…

Diese Ausgabe ist zu meinem Bedauern etwas kürzer als sonst. Work, work… Ihr kennt das sicher. Aber dafür gibts heute überwiegend deutschsprachige Links. Ist doch ein ganz guter Kompromiss, eh? :)

Bis zur nächsten Ausgabe,

Carlo.


TrueNorth-Prozessor: Neuer IBM-Chip arbeitet wie ein Gehirn

Artikel in DIE WELT — IBM geht neue Wege und arbeitet seit 2008 an Chips, die komplett anders aufgebaut sind als die, die sich in jedem Mac, PC oder Smartphone befinden. Jeder dieser Chips mit dem Codenamen TrueNorth enthält 4096 Prozessorkerne und bildet 1 Million menschlichen Neuronen und 256 Millionen Synapsen nach. IBM stellte jetzt ein System vor, das aus einem Zusammenschluss von 48 dieser Chips besteht, und ziemlich beeindruckt.

Bei der Entwicklung eines von IBM als besonders schnell und stromsparend gepriesenen Computerchips, hat sich der IT-Konzern von Gehirnen inspirieren lassen. Die Chips besitzen Eigenschaften, die denen von Neuronen im Gehirn ähneln. Nun hat IBM 48 dieser Systeme zusammengeschaltet, was 48 Millionen künstliche Nervenzellen entspricht – vergleichbar mit dem Gehirn einer Ratte, berichtet “Wired”.

Herz dieser Systeme ist ein TrueNorth genannte Prozessor, an dem IBM seit Jahren arbeitet. Er sei der bisher größte von IBM in Bezug auf die verbauten Transistoren – trotzdem soll er weniger als 100 Milliwatt Strom verbrauchen.

Was den Chip aber vor allem besonders macht, ist seine Ähnlichkeit zum Aufbau von Gehirnen. Zum Beginn des Computerzeitalters hatte sich die sogenannte Von-Neumann-Architektur durchgesetzt – egal ob heutige PCs, Smartphones, Chips in Waschmaschinen oder Supercomputer – alle setzen auf Chips nach dieser Von-Neumann-Architektur. Und das seit Jahrzehnten.

Der neue IBM-Chip bricht mit diesem Computerparadigma und setzt stattdessen auf Strukturen, die von biologischen Gehirnen abgeschaut sind. Der Clou: Statt Rechenprozesse hintereinander abzuarbeiten, erlaubt diese Technologie parallele Berechnungen.

Zwar sind sowohl die Chips als auch TrueNorth an sich nur Prototypen, aber diese haben schon extrem gut in einem standardisierten Bilderkennungstest abgeschnitten, und das bei einem wahnsinnig niedrigen Stromverbrauch. Es ist eine echte neue Chip-Architektur, und so verkauft IBM das Konzept auch: “eine neue Maschine für eine neue Ära”.

Fun fact: Die Grundlagen der erwähnten Von-Neumann-Chip-Architektur1 sind mittlerweile 70 Jahre alt.


Oneweb: Airbus baut gigantische Internet-Satelliten-Konstellation

Artikel bei Golem — Im Juni vermeldete das US-Unternehmen OneWeb Ltd., dass es 600 Kommunikationssatelliten ins All bringen wird, die die Erde flächendeckend mit Internet-Zugang überziehen sollen. Dazu hat OneWeb eine Investitionsrunde mit $500 Mio abgeschlossen, zu den Investoren gehören u.A. Airbus, Coca-Cola, Chiphersteller Qualcomm und die Virgin Group.

Oneweb will Kommunikationssatelliten in die Erdumlaufbahn bringen, über die eine weltweite Datenkommunikation laufen soll. Die Konstellation soll zunächst aus 600 Satelliten bestehen, die Airbus bauen wird, wie die Unternehmen nun auf der Pariser Luftfahrtmesse ankündigten. 300 weitere Satelliten sollen als Ersatz für die vergleichsweise niedrig fliegenden Erdtrabanten gebaut werden. Oneweb hat neben Airbus einen weiteren Partner für das Projekt: Virgin Galactic, das Raumfahrtunternehmen von Richard Branson.

Schon 2017 könnten die ersten OneWeb-Satelliten mit einem Virgin-Gefährt ins All befördert werden, der offizielle Betrieb der Flotte ist für 2019 geplant.

Interessanterweise ist OneWeb nicht der einzige Spieler auf diesem Feld: auch SpaceX will in den nächsten Jahren ~4000 Satelliten in den Orbit bringen, um Zugang zum Netz überall auf der Erde zu ermöglichen. (Siehe Bloomberg Business: “Elon Musk and SpaceX Plan a Space Internet” «gtü».) SpaceX denkt da natürlich in etwas größeren Maßstäben. Das Unternehmen will mit dem Projekt nicht nur Geld verdienen — es dient auch als Testbett, um notwendiges Wissen für das Betreiben einer Satellitenkonstellation im Mars-Orbit zu sammeln. Schließlich ist es der Firma erklärtes Langzeit-Ziel, eine dauerhafte Kolonie auf unserem roten Nachbarplaneten zu etablieren. (Mehr zum sehr ergiebigen Thema “SpaceX und der Mars” gibts auch im Teil “Zu guter Letzt…” dieser Ausgabe.)


Wem sollen die Roboter gehören?

Artikel bei MIT Technology Review «gtü» — Der MIT Tech Review-Redakteur David Rotman denkt über die sich ändernde Arbeitslandschaft nach: “Who Will Own the Robots?”. Seiner Meinung nach ist ein bedingungsloses Grundeinkommen nicht die einzige Möglichkeit, den nicht aufzuhaltenden Bruch des alten Systems “Geld für Arbeitsleistung” abzufangen; u.U. ist der verteilte Besitz der neuen Arbeitsmittel (Roboter, Technologie, Systeme) eine bessere Idee.

We’re in the midst of a jobs crisis, and rapid advances in AI and other technologies may be one culprit. How can we get better at sharing the wealth that technology creates?

“More and more computer-guided automation is creeping into everything from manufacturing to decision making,” says [engineering Professor Hod Lipson at Columbia University]. In the last two years alone, he says, the development of so-called deep learning has triggered a revolution in artificial intelligence, and 3-D printing has begun to change industrial production processes. “For a long time the common understanding was that technology was destroying jobs but also creating new and better ones,” says Lipson. “Now the evidence is that technology is destroying jobs and indeed creating new and better ones but also fewer ones. It is something we as technologists need to start thinking about.” […]

Whoever owns the capital will benefit as robots and AI inevitably replace many jobs. If the rewards of new technologies go largely to the very richest, as has been the trend in recent decades, then dystopian visions could become reality. But the machines are tools, and if their ownership is more widely shared, the majority of people could use them to boost their productivity and increase both their earnings and their leisure. If that happens, an increasingly wealthy society could restore the middle-class dream that has long driven technological ambition and economic growth.

Okay, das ist jetzt nicht unbedingt das übliche “Hurra Zukunft”-Material, das Ihr von mir gewohnt seid, aber das Thema treibt mich um; es ist nicht “Hurra”, aber sehr wohl “Zukunft”. Und damit meine ich die nächsten 10-20 Jahre!

Das aktuell vorherrschende Wirtschaftssystem der Welt basiert auf einem Kreislauf: ich stelle meine Arbeitsleistung einem Unternehmen zur Verfügung, das irgendetwas produziert, und werde dafür vergütet. Dieses Geld gebe ich zurück in den Markt, wenn ich Nahrung, Notwendiges und Dinge kaufe. Dieses Geld geht an Unternehmen, die wiederum stellen Arbeitsplätze zur Verfügung, der Kreislauf beginnt von vorn. Die westliche Gesellschaft ist klar auf diesen Kreislauf geeicht — der Wert eines Menschen wird daher häufig an seiner Arbeitsleistung, an seinem “Beitrag zur Volkswirtschaft” festgemacht. 2

Das ist seit sehr langer Zeit so. Über die Jahrzehnte/Jahrhunderte wurde die für diese Arbeiten benutzte Technologie immer besser, manche Arbeitsfelder fielen dadurch weg, dafür bildeten sich neue.

Jetzt allerdings sind wir an der Schwelle eines Zeitalters der Automatisierung. Mehr und mehr Jobs verschwinden aufgrund von Robotern, Fortschritten in künstlicher Intelligenz, neuen Materialien usw. Nur: neue Jobs bilden sich nicht mehr so viele. Das stellt die Gesellschaft vor ein gänzlich neues Problem:

Wenn es Jobs nur noch für einen kleinen Teil der Bevölkerung gibt, weil der Rest der Produktion etc. einer auf Hochleistung laufenden Industrie von Maschinen erledigt wird (Roboter, Software, selbstfahrende Automobile etc.), wenn also die große Mehrheit der Bürger gar keine Chance mehr hat, ihre Arbeitsleistung zu Geld zu machen und sie so keinen “Beitrag zur Volkswirtschaft” mehr leisten kann, was dann?

Die Antwort darauf ist: Die Gesellschaft muss sich wandeln, der “Wert” eines Menschen muss zwangsläufig von seiner Arbeitsleistung entkoppelt werden. Wenn der oben beschriebene Kreislauf zumindest halbwegs weiterlaufen soll, brauchen wir ein neues Modell, das allen Bürgern eine Teilhabe bietet. Ob das nun ein bedingungsloses Grundeinkommen ist, eine kluge Antwort auf die Frage “Wem sollen die Roboter gehören?” oder aber etwas völlig Anderes — das sollte diskutiert werden.


Zu guter Letzt…

Wenn ich die neue NadZ-Ausgabe zusammenstelle, sehe ich oft Stories, die ich interessant finde, zu denen ich aber nichts schreiben möchte. Solche Kurzlinks poste ich täglich auf Twitter (@municode#nadz) und gleichzeitig natürlich auch auf Facebook. Für die tägliche Portion NadZ schaut halt auch zwischen den Ausgaben hin und wieder mal dort vorbei! :)

Hier sind diese gesammelten Links seit der letzten Ausgabe.


Doku-Serie “Aufstieg der Roboter” im ZDF (ZDF Mediathek)

Die vierteilige Serie beleuchtet verschiedene Facetten der aktuellen europäischen Roboterforschung und zeigt Probleme, Hintergründe & Aussichten. Sehr empfehlenswert.


How fixed-gear bikes can confuse Google’s self-driving cars (The Washington Post) «gtü»

Was passiert, wenn ein Google-Auto (selbstfahrend) einen Fixie-Radler trifft.


ISS-Crew isst erstmals Weltraum-Gemüse (Süddeutsche)

Anfang August aß die ISS-Crew erstmals Weltraum-Gemüse. “Schmeckt gut, ein wenig wie Rucola”, sagte der US-Astronaut Scott Kelly. SPACE SALAD


Schotte erhält ersten bionischen Penis (Futurezone) «gtü»

In London ist die erste Implantation eines bionischen Penisses geglückt. Der Sechs-Millionen-Dollar-Wang, sozusagen.

Wie die Webseite IFL Science berichtet, ist in London die erste Implantation eines bionischen Penisses geglückt. Empfänger des Implantats ist ein 43-jähriger Mann aus Edinburgh, Schottland. Mit sechs Jahren hatte dieser bei einem Autounfall seinen Penis und einen Hoden verloren. Mit der Operation sollte dem Mann die Zeugungsfähigkeit zurückgegeben werden.


How (and Why) SpaceX Will Colonize Mars (Wait But Why) «gtü»

Ein wirklich saulanges Essay, das aber wahnsinnig interessant ist! Wir werden den Mars besiedeln, und ein Unternehmen machts möglich. Ich übertreibe nicht, wenn ich “saulang” sage — ich habe es über 5 Abende hinweg gelesen. Sehr dicht und ebenso inspirierend.


This 3D Printer Can Print 10 Materials at Once (Motherboard) «gtü»

Druckt 10 verschiedene Materialien, und korrigiert sich bei Bedarf dank visueller Sensoren auch selbst. Großartig.


Augmented Humans: Technology is Changing Lives (Futurism) «gtü»

Blind? Gehörlos? Bein weg? Gelähmt? Daran wird gearbeitet. Kurzes Video, ca. 2 min. <3


Elon Musk’s Hyperloop Is Actually Getting Kinda Serious (WIRED) «gtü»

Highspeed-Reisen in Vakuum-Röhren. Shit’s getting real! Investoren! Tests! (Follow-Up zur Meldung aus Ausgabe #32, “The Official SpaceX Hyperloop Pod Competition”.)


Hybrid Airships: The Next Leap in Transportation Technology (Lockheed Martin) «gtü»

Schönes Konzept einer neuen Art Zeppelin / Cargolifter. Lockheed Martin hat auch schon einen Prototypen gebaut und geflogen. Schick! (Video, 3:24 min.)


  1. “Die Von-Neumann-Architektur bildet die Grundlage für die Arbeitsweise der meisten heute bekannten Computer. Sie ist benannt nach dem österreichisch-ungarischen, später in den USA tätigen Mathematiker John von Neumann, dessen wesentliche Arbeit zum Thema 1945 veröffentlicht wurde.” Danke, Wikipedia↩︎

  2. Was ich grundsätzlich als falsch empfinde. Die Ehrenamtlichen, die sich z.B. um Obdachlose, vernachlässigte Kinder oder Hilfsbedürftige kümmern, bekommen kein Geld für ihre Arbeit, geben der Gesellschaft aber u.U. wesentlich mehr als der CTO des 20000. Image-Sharing-Startups, das gerade unnützerweise mit $10 Mio Risikokapital überschüttet wurde. ↩︎

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Carlo Zottmann @czottmann