Neues aus der Zukunft #26: Die mit den kleinen Soldaten

Donnerstagmorgen sind dafür da, um Guardians of the Galaxy nochmal im Kino anzuschauen, und von einer Zukunft zu träumen, in der Raumschiffe und Waschbären mit Raketenwerfern normal sind. <3

Heute habe ich fünf Meldungen über Hirnimplantate, kleine Soldaten, Autoimmunkrankheiten, künstliche Indäligents und Windkraft für Euch. Jedes dieser Themen liegt mir am Herzen, und ich teile gern. :)

Ich hätte gern mehr geschrieben (ein wiederkehrendes Thema, wie es scheint), aber wie immer war die freie Zeit zu knapp. Und es wird in den nächsten drei Wochen vermutlich noch etwas knapper, so dass ich die nächste Ausgabe erst in vier Wochen, also am 09.10., herausbringen kann. (Vielleicht sollte ich endlich mal darüber nachdenken, mir mit irgendjemandem die Arbeit zu teilen. Hmm.) Sorry.

Bis dahin freue ich mich über Eure Mails, wenn es keine wüsten Beschimpfungen wegen der Pausen sind! :) Ich mag Feedback.

Bis zur nächsten Ausgabe,

—Carlo.


Mehr Speicher fürs Hirn

Die US-Behörde DARPA1 hat mehrere Labors und Forschungseinrichtungen damit beauftragt, in den nächsten vier Jahren die Geheimnisse des menschlichen Gedächtnisses zu knacken (im Sinne von “Wie funktioniert das genau?”), um Neuroprothesen zur Unterstützung des Erinnerungsvermögens zu entwickeln.

Damit gemeint sind Implantate, die einem verletzten Hirn helfen können, z.B. unterbrochene Brücken zu gespeicherten Erinnerungen wiederherzustellen, oder ihm gar zusätzliches Erinnerungsvermögen zur Verfügung zu stellen. DARPA denkt da in erster Linie natürlich an kriegsversehrte US-Soldaten, aber diese Forschung dürfte auch große Auswirkungen auf die zivile Medizin haben.

Was mich daran happy macht

In den letzten 14 Jahren erlitten allein 270.000 US-Soldaten traumatische Schädelverletzungen, die derartige Beeinträchtigungen nach sich gezogen haben – diese Veteranen würden von einer solchen Technologie profitieren.

Davon mal abgesehen: besseres Erinnerungsvermögen durch Implantate, holy crap! Und wer sich nach dieser meiner Aussage gerade langsam mit großen Augen vom Bildschirm entfernt: wie viele von uns schleppen tagtäglich ein Handgehirn mit sich rum? Viele unserer Erinnerungen, Todo-Listen, Mementos und Eindrücke sind auf unseren Smartphones gespeichert. Und ich glaube schon, dass der Gedanke, das Smartphone dafür nicht bemühen zu müssen, reizvoll ist. Oder?


Fliegende Windturbinen

Die US-Firma Altaeros stellt Windturbinen her, die wie eine Mischung aus Schwimmreifen und Zeppelin anmuten: heliumgefüllte Ringe, in deren Mitte ein “Propeller” hängt. Wind strömt durch den Ring, der Propeller dreht sich, Strom wird erzeugt, und über ein Kabel an eine Bodenstation geleitet. Eine solche Altaeros-Turbine schwebt in Höhen von bis zu 750 m über ihrer kleinen Station, weiss Windgeschwindigkeiten bis zu 160 km/h zu verkraften, und kann genug Strom erzeugen, um eine Kleinstadt zu versorgen.

Diese mobilen Energieerzeuger sind für entlegene Gegenden gedacht, in denen keine stationären Turbinen aufgestellt werden können, oder auch für Krisengebiete oder Militärbasen. Das System benötigt im laufenden Betrieb kein Bodenpersonal, da es sich selbst die ergiebigste Flughöhe suchen kann und auch ansonsten autark arbeitet. Derzeit befindet es sich in einem kommerziellen Praxistest am Arsch der Welt in Alaska.

Die Erzeugung von sauberer, erneuerbarer Energie ist keine Option mehr – es ist eine Notwendigkeit, oder die Menschheit ist fucked. 2 Aber nicht überall ist Platz für entsprechende Anlagen. Solaranlagen benötigen viel freie Fläche. Stationäre Windturbinen z.B. sind riesengroß, müssen tief im Boden eingelassen werden (was nicht überall in der Form möglich ist), und das Aufstellen ist ein großer Aufwand. Das Altaeros-System dagegen passt in zwei Euro-Container, und die Installation geht schneller und einfacher vonstatten. Sicher, es erzeugt derzeit auch noch weniger Strom als ein normales Windrad, aber man kann dann ja vielleicht mehr als eins aufstellen.

Was mich daran happy macht

Das Konzept der Dezentralisierung spricht mich an; gerade auch bei der Energieerzeugung. Dezentralisierte Systeme sind in der Regel ausfallsicherer, und wenn ein Ort oder eine Kommune sich unabhängig machen kann von großen Zulieferern, dann schadet das in der Regel nicht den Endverbrauchern. (In unserer Gegend z.B. gibts einige Biomasse- und Geothermie-Heizkraftwerke. Feine Sache, das.)

Was mich besonders anmacht bei dieser Art von Lösung: der Strom wird in der Luft gewonnen – die Bodenstation kann verhältnismäßig klein sein, denn der Erzeuger schwebt über den Dingen. Das ist nicht nur cool, es sieht auch total heiss aus. (Bis jemand versucht, mit dem Jetpack hindurch zu fliegen.)


Watson’s neue Jobs

Im Oktober letzten Jahres schrieb ich über Watson, IBMs Supercomputer, der mit natürlicher Sprache umgehen kann und Nadeln (i.e., nicht offensichtliche Informationen) in Heuhaufen (i.e., unsagbar großen Bergen von digitalen Dokumenten) finden kann. Watson hatte gerade sein neues Einsatzgebiet zugeteilt bekommen: die Krebsforschung.

Und der Zwischenstand ist vielversprechend! Unter Anderem hat Watson mehr als 70.000 wissenschaftliche Abhandlungen ausgewertet, die sich mit dem Protein p53 beschäftigen, das bei bestimmten Krebsarten als “Tumor-Unterdrücker” agiert, wenn es durch andere Proteine aktiviert werden kann. Die Forschung hat seit 2003 im Durchschnitt weniger als 1 dieser Aktivator-Proteine pro Jahr entdeckt. Als Test wurden Watson nun besagte Abhandlungen bis zum Jahr 2003 gefüttert, ohne Informationen darüber, was seit 2003 entdeckt wurde. Die Maschine las, interpretierte, korrelierte, und markierte innerhalb weniger Wochen 7 verschiedene Proteine als mögliche Kandidaten. Der Knüller daran? All diese Kandidaten (und lediglich 2 weitere) sind seit 2003 tatsächlich im Labor entdeckt und bestätigt worden. Watson hat also in kürzester Zeit den “richtigen Riecher” bewiesen.

Aber Watson wird in den letzten Monaten auch auf anderen Feldern eingesetzt: u.A.

  • entwickelt er irrsinnige neue Rezepte aus Zutaten, die bisher vermutlich noch nie zusammen in einem Topf gelandet sind (ja, ich spreche wirklich über kreatives Kochen)
  • hilft er der Polizei von Tucson (USA) bei der Aufklärung der Entführung eines 6-jährigen Mädchens, in dem er in den zehntausenden Dokumenten, die mittlerweile in dem Fall zusammengekommen sind, nach Hinweisen und Verbindungen sucht, denen die Beamten dann nachgehen
  • kann er im Rahmen des IBM Debating Technologies-Projekt auf Zuruf Für- und Wider-Argumente zu beliebigen kontroversen Fragen konstruieren.

Was mich daran happy macht

Wir (als Spezies) forschen und forschen und forschen. Der Berg an Informationen und Wissen, den wir anhäufen, wächst schnell und unaufhörlich, es ist nahezu unmöglich, den kompletten Überblick zu erlangen. Einer der texanischen Mediziner des Watson-p53-Projekts brachte es auf den Punkt: “Selbst wenn ein Wissenschaftler 5 Abhandlungen pro Tag lesen würde, wären fast 38 Jahre vonnöten, um all die Forschung, die allein bis heute zu diesem Protein stattgefunden hätte, vollständig zu verstehen.” Und das ist nur ein wissenschaftliches Projekt in einem einzelnen Forschungszweig, holy crap!

Aber: statt vor besagten Berg zu kapitulieren, erschaffen wir saucoole Technologie, die uns hilft, den Überblick zu behalten. Großartig!


Die Zukunft der Verhütung

Die Parsemus Foundation, eine gemeinnützige Organisation, deren Ziel es ist, kostengünstige medizinische Ansätze für diverse Probleme zu finden, verkündete Anfang des Monats, dass ihr hochgradig interessantes Vasalgel nächstes Jahr in die klinische Testphase gehen wird. Vasalgel ist ein Verhütungsmittel für die Herren – dieses nicht hormonelle Polymer-Hydrogel wird in den Samenleiter gespritzt, setzt sich an dessen Wänden ab, und “püriert” dort die kleinen Soldaten, wenn sie Richtung Front vorbeischwimmen. (Ahem.)

Eine einzelne Injektion wirkt ~10 Jahre lang und kann jederzeit rückgängig gemacht werden, indem eine zweite Injektion vorgenommen wird. Deren Wirkstoff löst das Hydrogel auf, so dass es auf natürlichem Wege ausgeschwemmt werden kann. Das macht Vasalgel zu einer fantastischen Alternative zu Vasektomien. Keine Verödungen mehr, Kollegen, niemand muss Angst haben! Großartige Sache.

Ein verwandtes Projekt in Indien namens RISUG wird seit mehreren Jahren an Freiwilligen getestet, mit großem Erfolg; Vasalgel wurde in den Staaten entwickelt, um westlichen Standards zu genügen, und jetzt über mehrere Monate ebenfalls erfolgreich an Pavianen ausprobiert. Tests an westlichen Patienten beginnen 2015, die Parsemus-Leute peilen eine Markteinführung im Jahr 2016/2017 an.

Was mich daran happy macht

Ich habe vor ein paar Jahren einen sehr coolen Artikel auf WIRED darüber gelesen, und verfolge seither das Projekt durchaus aus Eigeninteresse. Ich halte ein Verhütungsmittel für Männer, das Hormonspritzen für die Damen nicht unähnlich ist, für überfällig — dahingehend, dass es eine zeitliche Begrenzung hat und reversibel ist. Ist doch super!

Ausserdem bin ich auf die gesellschaftlichen Auswirkungen neugierig, die eine Markteinführung mit sich bringen dürfte. Wenn Verhütungsmittel wie die Pille urplötzlich nicht mehr alleiniges Territorium der Frauen sind, sondern “Chancengleichheit” geschaffen wird. Wenn die Argumente “Ich vertrage keine Kondome” (sicher, sicher) oder “Die Dinger sind mir alle zu klein” (bwahahaha) nicht mehr automatisch bedeuten, dass Kerle komplett die Verantwortung abgeben dürfen.

Hah. ;)


Kampf den Autoimmunkrankheiten!

Die Universität von Bristol (USA) vermeldete in der letzten Woche, dass eines ihrer Teams einen Weg gefunden hat, Autoimmunerkrankungen 3 zu stoppen.

Sie fanden heraus, wie aggressive Zellen, die bei diesen Erkrankungen körpereigenes Gewebe angreifen, durch sog. Antigen-Immuntherapie effektiv in “Verteidigerzellen” umgewandelt werden können. Das Ziel dabei ist es, dem Körper die “Toleranz” gegenüber seinem eigenen Gewebe zurückzugeben, ohne (wie bei herkömmlichen Methoden) das Immunsystem zu schwächen. Das Interessante daran: es handelt sich, streng genommen, nicht um eine Heilung, denn die Krankheit wird nur dauerhaft “deaktiviert” – sie ruht!

Die Studie aus Bristol bezieht sich auf Mäuse, das Projekt ist aber auf dem Weg in die klinischen Testphase. Verhalten ermutigende Nachrichten also für Menschen mit multipler Sklerose, Hashimoto-Thyreoiditis, Diabetes Typ 1 etc.

Was mich daran happy macht

Ich finde den Ansatz interessant: das Verfahren ist der Hyposensibilisierung bei Allergien nicht unähnlich. Dem Immunsystem wird beigebracht, bestimmte körpereigene Proteine nicht weiter zu attackieren.

Wie so oft steckt aber auch dieser neue Weg noch in den Kinderschuhen, klar. Mehr Forschung ist nötig, aber die grundsätzliche Herangehensweise ist neu und vielversprechend.


  1. “Die Defense Advanced Research Projects Agency (DARPA) ist eine Behörde des Verteidigungsministeriums der Vereinigten Staaten, die Forschungs-Projekte für die Streitkräfte der Vereinigten Staaten durchführt, u. a. auch Weltraumprojekte. Das jährliche Budget beträgt etwa drei Milliarden US-Dollar (Stand 2004).” Danke, Wikipedia↩︎

  2. Die Menschheit, nicht die Erde. Die Erde hat schon ganz andere Sachen überstanden, keine Sorge. ↩︎

  3. “Autoimmunerkrankung ist in der Medizin ein Überbegriff für Krankheiten, deren Ursache eine überschießende Reaktion des Immunsystems gegen körpereigenes Gewebe ist. Irrtümlicherweise erkennt das Immunsystem körpereigenes Gewebe als zu bekämpfenden Fremdkörper. Dadurch kommt es zu schweren Entzündungsreaktionen, die zu Schäden an den betroffenen Organen führen.” Danke, Wikipedia↩︎

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Carlo Zottmann @czottmann