Donnerstagmorgen sind dafür da, um sich zu fragen, ob das neue Format, was sich Carlo da für den Newsletter ausgedacht hat, gut ist oder nicht. Hmm!
Diese Ausgabe ist etwas anders zusammengestellt. Zwei der Gründe dafür sind “Zeitmangel” sowie “das Leben” – die Themen, die ich zusammengetragen habe, konnte ich nicht so ausführlich behandeln, wie ich mir eigentlich gewünscht hatte. Und so habe ich die kürzeren Meldungen thematisch in Blöcken zusammengefasst; als ich damit fertig war, gefiel mir die Aufteilung ganz gut. Was meint Ihr?
Wenn man es genau betrachtet, ist diese neue Zusammenstellung einfach nur hochgradig innovativ!!1 Leider kam sie zu spät, und so habe ich es nicht mehr in die diesjährige Liste “35 Innovators Under 35” des MIT Technology Review 1 geschafft. Nichtsdestotrotz ist sie auch 2014 ein interessanter Einblick in aktuelle Forschungen in Biologie, virtueller Realität, Umwelttechnologie, Web, Hirnforschung, Musik & Kunst, Gesundheit, Robotik etc. Wirklich lesenswert, und die Lektüre hat wie immer das Potential, dieses wohlige “Ich verschwende meine Jugend, rah!”-Gefühl zu erzeugen.
Bis in zwei Wochen,
—Carlo.
Ein STEP zurück, zwei Schritte vorwärts
Forscher der Yale School of Medicine (USA) haben in jahrelanger Arbeit eine Medikamentenverbindung entwickelt, die in Mäusen die Auswirkungen von Alzheimer rückgängig macht.
Die Verbindung unterbindet die negativen Effekte eines Proteins namens STEP ( “STtriatal-Enriched tyrosine Phosphatase”), das, wenn es in größeren Mengen im Hirn vorkommt, Synapsen davon abhält, stärker zu werden. Das Problem: Synapsen müssen sich verfestigen, damit z.B. Erinnerungen nicht nur kurzzeitig, sondern längerfristig gespeichert werden können.
Die Wissenschaftler stellten nun fest, dass bei einigen Erkrankungen (wie u.A. der Alzheimer-Krankheit) die STEP-Level im Gehirn erhöht sind. Ursache/Wirkung? Sie entwickelten die Theorie, dass sich die kognitiven Fähigkeiten des Erkrankten möglicherweise wieder normalisieren würden, wenn der STEP-Level künstlich gesenkt werden kann, und die Synapsen nicht länger zurückgehalten werden. Sie untersuchten also tausende Moleküle, von denen sie vermuteten, dass sie das STEP-Protein “ausbremsen” können. Die erfolgreichsten Kandidaten wurden an erkrankten Mäusen getestet, und die Vermutung erwies sich als korrekt: die mit der Verbindung behandelten Mäuse wiesen nach kurzer Zeit wieder das gleichen geistige Vermögen auf wie die gesunde Kontrollgruppe. Whoa!
Mehr Forschung ist nötig, damit diese Ergebnisse am Ende menschlichen Patienten zugute kommen können. Das Team hat die Tests ausgedehnt, ihre Arbeit geht weiter.
Links zum Thema
- Meldung bei SciTech Daily: “New Drug Compound Reverses the Brain Deficits of Alzheimer’s Disease in Mice”
- Artikel bei Newsweek: “The Alzheimer’s Cure That Worked on Mice”
- Veröffentlichung: “Inhibitor of the Tyrosine Phosphatase STEP Reverses Cognitive Deficits in a Mouse Model of Alzheimer’s Disease”, Jian Xu, et al., PLoS Biology, 2014; DOI: 10.1371/journal.pbio.1001923
PS: Ich entschuldige mich in aller Form für die dämliche Überschrift.
Biotech & Wetware
Ein teilweise gelähmter Mann bewegt seine Hand mit der Kraft seiner Gedanken …und Biotechnologie – Schon 2 Monate alt, aber das sollte nicht untergehen: “Die Forscher implantierten dem jungen Mann einen Computer-Chip in das Motorikzentrum seines Gehirns. Denkt Ian an die Bewegung seiner Hand, leitet der Chip die Steuersignale aus dem Gehirn an einen speziellen Handschuh weiter und umgeht so die defekten Nervenverbindungen. Der Handschuh stimuliert über Elektroden die Handmuskeln.” Gänsehaut!
Ein ausführlicherer, aber englischsprachiger Artikel dazu findet sich im Telegraph: “Dawn of bionic age? Paralysed man becomes first to use power of thought to move hand”, ein gutes Video auf Youtube.
Junges Blut für alte Patienten – Erinnert Ihr Euch noch an “GDF11: das Jungbrunnen-Protein” vom Mai (Ausgabe #11)? Da ging es um ein Protein, das im Blut junger Mäuse (und Menschen) vorkommt, aber so gut wie gar nicht mehr im Blut ihrer alten Artgenossen. Durch Bluttransfusionen wurden alte Mäuse mit jenem Protein versorgt — und ihre Muskeln, Herzen und auch Hirne wurden wieder jugendlich. Faszinierende Geschichte, damals gingen die beteiligten Mediziner von klinischen Tests an Menschen in den nächsten 3 bis 5 Jahren aus. Nun, dies wird jetzt schon dieses Jahr im Oktober an der Stanford School of Medicine passieren: freiwillige, ältere Alzheimer-Patienten werden dort Blutplasma von gesunden Menschen unter 30 erhalten.
Die Wissenschaftler wollen so herausfinden, ob sich die ermutigenden Ergebnisse der Mäuse auch in Menschen wiederholen lassen, und sich die kognitiven Fähigkeiten der Patienten verbessern werden. Man darf gespannt sein!
(Randnotiz für die Kollegen von der Presse: seht Ihr, die Story kann man auch ohne doofe Vampirwitze bringen.)
Materialien & Energie
Komplett durchsichtige Solarzellen – Ein Team von Forschern an der Michigan State University (USA) hat eine neue Form von Solarkonzentrator erfunden: ihr plastikartiges Material ist komplett transparent, und damit theoretisch auch in Fenstern einsetzbar. Oder in Smartphones, oder anderen Geräten, die Screens besitzen. Das Material macht sich winzige organische Moleküle zunutze, die für Menschen unsichtbare Wellenlängen von Licht (z.B. im UV- und nahen Infrarotbereich) absorbieren, diese an dünne Streifen von photovoltaischen Zellen abgeben, die auf den Kanten des Plastiks sitzen, wo sie dann in Elektrizität umgewandelt werden.
Die Michigan…isten (?) weisen vor allen Dingen auf das kommerzielle und industrielle Potential ihres neuen Materials hin – ihre Prototypen sind zwar noch recht jung, aber alles deutet darauf hin, dass das Zeug recht einfach und kostengünstig im großen Stil hergestellt werden kann, und sich z.B. dafür eignet, in Bürohäusern und Wolkenkratzern eingesetzt zu werden, deren Fassaden ohnehin ja meistens fast nur aus Glas bestehen.
Das Konzept dieser Technologie ist zwar nicht ganz neu, allerdings waren bisherige Konkurrenzmodelle immer farbig, und wer möchte schon den ganzen Tag aus einem gefärbten Fenster schauen…
Die Effizienz des Materials liegt derzeit noch bei 1%, angestrebt sind aber 5% und mehr. Das mag nicht viel erscheinen, aber das ist immerhin schon wesentlich mehr als ein herkömmliches Fenster. ;)
Solarzellen aus der Sprühdose – An der University of Sheffield (UK) wurde eine neue, kostengünstige Art von Solarzellen entwickelt, die auf jeden Untergrund aufgesprüht (!) werden kann, und durchaus das Zeug hat, den Preis für Solarstrom in den Keller zu drücken. Die neuen Zellen basieren auf dem neuen “Wundermaterial” Perovskit, weisen derzeit eine Effizienz von 19% auf, werden ähnlich wie Autolack auf einen Träger aufgetragen, und sind unglaublich günstig.
Hardware
Smarter Motorradhelm – Der Skully AR-1 ist eine superinteressante Kopfbedeckung für Mopedfahrer: der Helm verfügt sowohl über einen Computer als auch ein Visir, das abdunkeln kann und u.A. anzeigt, was hinter dem Fahrer passiert (gespeist von einer integrierten 180°-Kamera). Dazu kommen eingebaute GPS-Navigation, Bluetooth, ein HUD (Head-up-Display) für Informationen wie Geschwindigkeit oder Tankfüllstand etc. Das Ding erinnert mich irgendwie an die smarten Helme der Mechpiloten in Animes und Videospielen. :) Saucool, kann beim Hersteller vorbestellt werden.
10 Gründe, warum Dronen-Technologie störend ( “disruptive”) ist – Peter Diamandis, Luftfahrtingenieur und Visionär, erklärt (auf Englisch), warum Drohnen super sind, und denkt laut darüber nach, dass wir seiner Meinung nach eigentlich noch gar nichts gesehen haben. Die nächsten 10-20 Jahre auf diesem Gebiet werden noch viel cooler und wilder – dank leistungsfähigerer Hardware (Miniaturisierung, Akkus, leichtere Materialien, Antriebe, etc.) und Software (AI!).
Da werden sich Möglichkeiten auftun, von denen wir im Augenblick höchstens träumen können: in der Medizin, der Landwirtschaft, der Raumfahrt, dem Katastrophenschutz (Feuerwehr, Sanitäter), der persönlichen Sicherheit, Kunst & Kultur, der Energiewirtschaft… (Und ja, auch beim Militär, wie bei jeder Technologie. Machste nix dran.)
Motorisierte Rollschuhe mit einer Maximalgeschwindigkeit von 20 km/h – Es sind keine Jetpacks, aber die Grundidee ist verwandt: man kann sie sich anschnallen, bewegt sich damit schneller als ohne sie, und erhöht die eigenen Chancen auf ein schnelles, ungeplantes Ableben immens. Die Jetsons wären begeistert.
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Übersetzt: “35 Neuerer unter 35”. ↩︎