Neues aus der Zukunft #24: Die mit neuen Kompaktbluttests, Kontaktlinsen-Updates und Mikrowellen im Weltraum

Donnerstagmorgen sind dafür da, um die Sommerpause offiziell für beendet zu erklären, z.B. so: “Die Sommerpause ist offiziell beendet!”

(Smooth.)

Danke für Eure Stimmen für den Publikumspreis des Grimme Online Award 2014 – auch wenn sie (diesmal) nicht gereicht haben. ;) Glückwunsch an die Gewinner, und noch einmal geht mein Dank ans Grimme-Institut für die Nominierung – die hat mich riesig gefreut.

Und, davon komplett unabhängig, danke ich all denen, die mir in den letzten Wochen Themenvorschläge und Links geschickt haben. Ihr seid dufte. Immer her damit, auch wenn ich nicht versprechen kann, jedes Thema aufzugreifen.

Bis in zwei Wochen,

Carlo.

PS: Wenn Euch in einer Ausgabe ein Thema besonders gefällt, könnt Ihr das mit den Icons am Ende des Artikels auch gezielt und einzeln weiterempfehlen! Zwinker, zwinker.


Mehr Spaß beim Aderlass

Niemand mag Bluttests. Der Hausarzt entnimmt Blut, das zu einem Labor geschickt wird, in dem ein paar teure Tests ausgeführt werden, und ein paar Tage später erklärt der Arzt dem Patienten, was das Problem ist, und/oder ordnet weitere Tests an — neue Blutentnahme, etc.

Die US-Firma Theranos hat über die letzten zehn Jahre ein Blutlabor-System entwickelt, das ungefähr 70 verschiedene Tests automatisiert mit einer winzigen Menge Blut (ein bis zwei Tropfen = ~50 µl = 0.05 ml) ausführen kann. Diese Anzahl von Tests durchzuführen würde mit herkömmlichen Methoden mehrere der bekannten, großvolumigeren Blutproben benötigen, jede davon um die 4 ml.

Theranos’ Laborsystem ist vollautomatisiert, um menschliche Fehler weitgehend ausschliessen zu können — und um 50-90% günstiger als Konkurrenzprodukte (auf dem US-Markt), was auch Krankenversicherungen und Ärzte freuen dürfte. Bluttests sind nämlich nicht wirklich billig, was einer der Gründe für die eingangs beschriebenen langwierigen Testläufe ist. Eine Ärztin beschränkt die Anzahl der gemachten Bluttests nämlich nicht immer nur deshalb, weil sie sich sicher ist, was die untersuchten Beschwerden auslöst, sondern oft auch aus Kostengründen. Manchmal wäre es hilfreich, mit einem Schlag 10-20 unterschiedliche Tests überprüfen zu lassen, aber das zahlt keine Kasse ohne Murren. Tja. Und schneller ist Theranos’ System auch, oft liegen die Ergebnisse schon innerhalb weniger Stunden vor.

Sehr interessant finde ich den infrastrukturellen Ansatz, den Theranos verfolgt: statt überall eigene Standorte zu eröffnen, hat die Firma hat einen Vertrag mit Walgreens abgeschlossen, einer US-Drogerie-Kette, die ohnehin schon das ganze Land abdeckt. Und so kann man derzeit Bluttests in schon ca. 30 Walgreens in Kalifornien und Arizona durchführen lassen, in denen Theranos sog. “Wellness Centers” eingerichtet hat. Weitere Standorte sind in Arbeit, das “Fernziel” der Firma ist es, Test-Center im Umkreis von 5 Meilen jedes US-Haushalts einzurichten.

Was mich daran happy macht

Technologie krempelt den Gesundheitssektor um. Je mehr Daten einem Mediziner zu seinem Patienten zur Verfügung stehen, gerade bei desto besser. Und gerade dann, wenn akute Beschwerden vorliegen (was meistens der Fall ist, wenn man endlich mal zum Arzt geht), ist es wichtig, schnell an die relevanten Informationen zu kommen, und dazu gehören auch die Blutwerte.

Und die Quantified Self-Freunde1 wird’s freuen, problemlos und günstig an noch mehr Daten zu kommen, auch ohne Arzt, der dabei behilflich ist.


Kontaktlinsen-Update

Im Januar hatte ich über Google[x]’ Prototypen einer smarten Kontaktlinse geschrieben, die die Blutzuckerwerte ihres Trägers überwacht, in dem sie die Tränenflüssigkeit analysiert. (Siehe NadZ #13, “Blutzuckermessung durch Kontaktlinsen”). Das ist jetzt mehr als ein halbes Jahr her — was hat sich in der Zwischenzeit auf diesem Feld getan? Schauen wir mal…

Ende Juli verkündeten Google[x] und das Schweizer Pharmaunternehmen Novartis International AG, sich ab jetzt gemeinsam dem Feld der intelligenten “Multifunktionslinsen” widmen zu wollen. Zusammen arbeiten sie jetzt an Linsen, die sowohl Blutzucker messen als auch einem fernsichtigen Auge beim Fokussieren im Nahbereich helfen können. (Novartis, ein großer Hersteller von Kontaktlinsen, versucht seit Jahren, Glukose-Messung in Linsen unterzubringen, bisher allerdings erfolglos; aus diesem Grund lizensiert die Firma jetzt Google’s Technologie.) Franck Leveiller, Chef der Forschungs- und Entwicklungsabteilung von Novartis’ Augenpflege-Division, sagte es so: “Es ist an der Zeit, einen kleinen Computer und eine Menge miniaturisierte Technik in Kontaktlinsen zu packen.”

Ich denke, dass er mit dieser Einschätzung Recht hat, allein schon deshalb, weil Tränenflüssigkeit mehr als nur die Messung von Glukose zulässt — sie enthält u.A. auch…

  • eine Chemikalie namens Lacryglobin, einen Biomarker für diverse Krebsarten (Brust-, Lungen-, Gebärmutter-, Prostata- und Darmkrebs)
  • Milchsäure, die bei erhöhtem Vorkommen auf drohendes Herzversagen, Leber- oder Lungenkrankheiten hinweisen kann.

Und Novartis und Google[x] sind nicht die einzigen Spieler auf diesem Feld. Eine kleine Auswahl:

  • Forscher an der Universität von Michigan, USA, haben Graphen-basierte, wirklich hauchdünne Rezeptoren für ultraviolettes und infrarotes Licht entwickelt, und darauf hingewiesen, dass sich ihre Technologie für den Einsatz in Kontaktlinsen geradezu anbietet. Einmal Nacht- und Wärmebildsicht, bitte!
  • Das Schweizer Unternehmen Sensimed hat Linsen entwickelt, die kontinuierlich den Augeninnendruck ihres Trägers messen, und dadurch Augenärzten eine bessere Früherkennung des Grünen Star erlauben.
  • Die Firma Innovega aus den USA stellt ein System von Augmented Reality-Kontaktlinsen2 namens “iOptik” her.

Was mich daran happy macht

Passive Gesundheitsvorsorge durch passives Überwachen des eigenen Körpers? Was kann man daran nicht toll finden? Alles Weitere (UV-/IR-Sicht, Augmented Reality, LASERSTRAHLEN PEW PEW etc.) ist das saucoole Sahnehäubchen.


Mit der Mikrowelle in den Weltraum

Seit ein paar Jahren gibt es ein paar Konzepte und Projekte zu neuen Antriebsformen für Raumschiffe, die nicht auf dem Verbrennen von Treibstoffen basieren. Nicht wenige davon sind etwas esoterisch, weil sie Effekte beschreiben, die mit dem heutigen Wissensstand nicht wirklich zufriedenstellend erklärbar sind. Da wären u.A. das britische EmDrive sowie das chinesische EmDrive (thematisch verwandt, ansonsten unabhängig), die das Generieren von Schubkraft durch elektrisch erzeugte Mikrowellen beschreiben. Ein solches Triebwerk hätte den Vorteil, dass man keine Unmengen von Treibstoff braucht, um durchs All zu düsen, sondern lediglich einen kleinen Reaktor. Das wäre praktisch!

Bisher wurden diese Ansätze immer spöttisch belächelt, im besten Fall kritisch beäugt – bis sich jetzt allerdings die gute alte NASA der Technologie annahm, selbst Experimente durchführte und eine erste Studie dazu veröffentlichte, die durchaus positiv klingt. Der Ansatz wurde nicht verteufelt, sondern wissenschaftlich untersucht, in Experimenten überprüft, und überraschenderweise nicht umgehend als Humbug entlarvt, im Gegenteil: die von den EmDrive-Leuten beschriebenen Effekte konnten gemessen und nachgewiesen werden, auch wenn noch niemand genau sagen kann, warum.

Wired UK veröffentlichte daraufhin einen Artikel zur NASA-Veröffentlichung, der zu langen, teils euphorischen Diskussionen in diesem Internetz führte. Bald gibts Hoverboards, Jetpacks und Warpantriebe für alle, hurra! Party!

Das rief dann einige kluge Menschen auf den Plan, die die Story auseinandernahmen und erklärten, warum die besprochene Technologie komplett unmöglich sei, so z.B. Discover Magazine und der Physiker John Baez. Die Ergebnisse wurden (grob zusammengefasst) mit Toleranzen und Fehlern im Versuchsaufbau erklärt. Verdammt, die Hoverboard-Party wird abgesagt‽ Schade. :(

Das wiederum brachte Wired dazu, eine Woche später ein Follow-Up nachzulegen, in dem die 10 wichtigsten Fragen zum Artikel und der Studie näher erläutert wurden. Und das Internet diskutiert weiter und wieder – und wir warten gespannt auf weitere Experimente und Tests.

Was mich daran happy macht

Das Universum erfüllt mich mich Ehrfurcht und Begeisterung – es ist wundervoll und wahnsinnig komplex! Und ja, ich gebe zu, diese “EmDrives” klingen esoterisch. Aber!

Ein mir sehr wichtiger und spiritueller Mensch sagte mir einmal, dass es viele Dinge gäbe, die wir nicht verstehen. Für sie ist das ein möglicher Hinweis auf ein höheres Wesen, eine höhere Macht – auf Magie, in gewisser Weise. Fair enough; dies ist vermutlich der Ursprung der meisten Religionen: Esoterik (und dies sage ich ohne Wertung).

Ich dagegen bin Polyatheist3 und komme zu einem etwas anderen Schluss, wenn ich die gleichen Fakten betrachte: mir wird wieder klar, dass es in der Tat viele Dinge gibt, die wir nicht verstehen – noch nicht. All das, was uns in den vergangenen Jahrhunderten unerklärlich vorkam, vor dem sich unsere Vorfahren in den Sand warfen, haben wir irgendwann erforscht, um es zu verstehen, und das fast immer erfolgreich. Die Mysterien verfliegen, aber die Ehrfurcht bleibt. Und unsere Instrumente werden besser, unser Blick schärfer, unser Gehör feiner: da ist so Vieles, das es noch zu entdecken gilt. Warum sollte dazu nicht auch eine physikalische Erklärung gehören, warum EmDrives eventuell doch funktionieren? :)

Alles ist offen, und ich finds großartig!


Und dann war da noch das…

How the Second Space Age Promises to Open up a New World of Exciting Opportunities – Kurzes Video (2:22 min), in dem Will Pomerantz (Virgin Galactic’s VP of Special Projects) aufzeigt, warum NewSpace so verdammt inspirierend ist: “There are so many new types of entities, new organizations, new companies, new countries that are exploring space — I mean, for goodness sakes, you can now explore space on the back of a Kickstarter campaign… That’s really happening today!” Verdammt richtig! (Via Moonandback.)


Elektroautohersteller verschenkt Patente: Tesla gibt seine Technologie frei – Und das passierte im Juni: mein Lieblingsautohersteller geht wieder neue Wege. “Der Gegenentwurf zum Patentkrieg in der Mobilfunk-Branche: Der Elektrowagen-Anbieter Tesla gibt seine Technologien für alle frei. Mehr Autos mit Elektromotor auf die Straße zu kriegen sei wichtiger als der Konkurrenzkampf, erklärt Gründer Elon Musk. […] Tesla werde keine Patentrechtsklagen einreichen, wenn andere Firmen die von der Firma entwickelte Technologie verwendeten, versprach Musk.” Hut ab!


Burger Robot Poised to Disrupt Fast Food Industry – Der Momentum-Burger-Bot sieht aus wie eine Mischung aus Fliessband, Grill und 3D-Drucker, und baut vollautomatisch innerhalb von 10 Sekunden aus frischen Zutaten einen Burger zusammen. Gurken, Tomaten, Zwiebeln etc. werden am Stück vorgehalten und erst geschnippelt, wenn sie auf den Burger kommen, frischer gehts nicht. Pro Stunde kann das Maschinchen 360 Klopsbrötchen produzieren. Seine Schöpfer arbeiten schon an der nächsten Generation, die auch das Fleisch frisch durch den Wolf jagt, und somit von einem Burger auf den nächsten die Fleischmischung im Patty ändern kann. Die Zukunft wird köstlich!


Die künstlichen Gebärmütter der Zukunft befinden sich längst in der Entwicklung – Für den Futuristen, Philosophen, Journalisten und Autor Zoltan Istvan ist die Frage nicht, ob Ektogenese kommen wird, sondern wann und wie. Er spricht kurz über den Stand der Forschung an künstlichen, externen Gebärmuttern; sagt voraus, dass sie in 20-30 Jahren weit verbreitet sein werden; und denkt über die Folgen für Gesellschaft sowie die damit verbundenen Freiheiten und gesellschaftliche Stellung der Frau nach. Sehr interessant. (Wer des Englischen mächtig ist, sollte sich besser den Originaltext “Artificial Wombs Are Coming, but the Controversy Is Already Here” zu Gemüte führen, denn die 1:1 aus dem Englischen übersetzten Artikel auf der deutschen Motherboard-Site lassen oft etwas zu wünschen übrig.)


Neues Material ermöglicht durchsichtige, hauchdünne, biegsame Solarzellen“An der TU Wien gelang es, zwei unterschiedliche Halbleitermaterialien zu kombinieren, die jeweils aus nur drei Atomlagen bestehen. Dadurch ergibt sich eine vielversprechende neue Struktur für Solarzellen. […] Das neue Material lässt einen großen Teil des Lichts durch, der absorbierte Anteil wird in elektrische Energie umgewandelt. Man könnte es etwa auf Glasfassaden einsetzen, wo es Licht durchlassen und trotzdem Strom erzeugen würde. Weil es nur aus wenigen Atomlagen besteht, ist das Material extrem leicht ( 300 m² des Films wiegen etwa ein Gramm) und sehr flexibel.”


Menschen haben’s einfach drauf. Wir können z.B. total coole Schleusen bauen! (Das ist das Falkirk Wheel in Schottland.) Wow.


  1. Quantified Self kurz zusammengefasst: möglichst viele (medizinische) Daten zur eigenen Person sammeln und auswerten, denn nur mit genug Informationen kann man fundierte Entscheidungen treffen. Laut deutscher Website ist QS eine “Gemeinschaft von Anwendern und Anbietern von Lösungen zur Erfassung und Auswertung von Daten über die eigene Gesundheit, das Verhalten oder die Umwelt. Ähnlich einem Spiegel liefern Daten über uns selbst eine Möglichkeit, uns zu reflektieren und zu erkennen, was bessere, informiertere Entscheidungen erlaubt. Die dabei eingesetzten Verfahren umfassen Selbst-Experimente, Verhaltens-Beochachtung, Lifelogging, die Erfassung biometrischer Informationen, Psychologische Tests, Dienste zur medizinischen Selbstdiagnose, Genomsequenzierung und vieles mehr.” ↩︎

  2. Augmented Reality, zu deutsch “Erweiterte Realität”, ist ”[…] die visuelle Darstellung von Informationen […], also die Ergänzung von Bildern oder Videos mit computergenerierten Zusatzinformationen oder virtuellen Objekten mittels Einblendung/Überlagerung. Bei Fußball-Übertragungen ist erweiterte Realität beispielsweise das Einblenden von Entfernungen bei Freistößen mithilfe eines Kreises oder einer Linie.” Danke, Wikipedia↩︎

  3. Es gibt sehr viele Götter, an die ich nicht glaube. ↩︎

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Carlo Zottmann @czottmann