Neues aus der Zukunft #23: Die mit Crowdfunding für die Menschheit, Deflektorschilden und der Sommerpause

Donnerstagmorgen sind dafür da, um sich zu fragen, wo die Inspiration hin ist, bei all dem sommerlichen Wetter sollte sie doch nur so sprudeln!

Tut sie aber nicht. Vermutlich wegen all dem sommerlichen Wetter und der vielen Zeit, die ich im Freien verbringe. :) Aus dem Grund gibts dieses Mal etwas weniger Text, aber die Meldungen, die es in dieser Ausgabe gibt, fand ich extra toll.

Und weil die Sonne noch weiter scheint, melde ich mich erstmal in die Sommerpause ab. In 4 bis 8 Wochen gehts weiter. Bleibt mir gewogen, und drückt mir die Daumen für die Preisverleihung zum Grimme Online Award am 27. Juni in Köln!

Und wenn Euch fad wird, schreibt mir eine Mail! Die Antwort kann aus o.g. Gründen etwas dauern, aber sie kommt, versprochen.

Bis zum August! :)

—Carlo.


“Deflektorschilde hochfahren!”

Anfang Juni veröffentlichte ein Team um Ruth Bamford am Rutherford Appleton Laboratory in Großbritannien eine Studie, in der sie — ganz einfach zusammengefasst — den theoretischen Aufbau eines Deflektorschild für Raumfahrzeuge vorstellten, der Astronauten vor schädlicher Strahlung schützt.

Sobald Menschen die Erde verlassen, sind sie nicht mehr durch der Erde starkes Magnetfeld geschützt, und bekommen all die “guten Sachen” direkt ins Gesicht, die uns hier auf der Erde nicht erreichen. Das kann in großen Dosen potentiell tödlich enden, da die hochenergetischen Teilchen der kosmische Strahlung hochgradig schädlich für den menschlichen Körper sind, und u.A. Mutationen auslösen können. Das stellt gerade bei längeren Aufenthalten im All, wie z.B. Missionen zum Mars, ein Problem dar.

Die britischen Forscher haben Daten von auf dem Mond natürlich vorkommenden Magnetosphären eingehend analysiert, und das Rätsel knacken können, wie diese sehr schwachen Magnetfelder Teile des Mondes vor Strahlung schützen können. ( “Sehr schwach” in diesem Kontext bedeutet: ca. 0.25% der Stärke des Erdmagnetfeldes.) Aus ihren Berechnungen und Beobachtungen abgeleitet konnten sie dann eine künstliche Mini-Magnetosphäre beschreiben, und auch, wie ein Generator dafür aussehen würde, den man z.B. an ein Raumschiff binden könnte. In ihren Simulationen zeigten sie auf, wie relativ wenig Energie für den Betrieb eines solchen Generators notwendig wäre (~21 kW). Das Gerät hebt sich damit deutlich von den bisherigen theoretischen Strahlenschutz-Modellen ab, die von weitaus stärkeren Magnetfeldern ausgehen, und dementsprechend fantastisch hohe Energieanforderungen haben.

Also: ein weiteres Mosaiksteinchen für kommende Mars-Missionen ist gefunden und eingepasst! Noch nicht ganz: Frau Bamford und ihre Kollegen beeilen sich, darauf hinzuweisen, dass in ihren Modellen noch einige Komplexitäten und Details warten, die näher untersucht werden müssen. Fair enough.

Was mich daran happy macht

Hier gehts um wichtige Arbeit, schließlich haben die Raumfahrtorganisationen der Welt fest viele Orte jenseits des nahen Erdorbits im Blick: Mars, Asteroiden, die Jupitermonde… Nur dürfte es schwer werden, Freiwillige zu finden, wenn vor der Reise schon klar ist, dass alle Astronauten aufgrund von Strahlenschäden umkommen werden.


HeroX: Crowdfunding für die Menschheit

Kickstarter und Indiegogo helfen seit Jahren kleinen Teams, ihre Visionen zu verwirklichen. Ein Team stellt seine Idee vor, präsentiert sich und seinen Aktionsplan, und versucht, andere Menschen dafür zu begeistern, damit diese sein Projekt finanziell unterstützen.

Die gemeinnützige XPRIZE Foundation “schreibt Preise für technische und wissenschaftliche Entwicklungen aus, die hauptsächlich privat finanziert sind. Nach eigenen Angaben will sie damit Anreize für den Aufbau von Industrien und neue Jobs schaffen, sowie die derzeit festgefahrenen Märkte wiederbeleben. Als höheres Ziel sollen die Preise mit ‘radikalen Durchbrüchen’ dem Wohl der Menschheit dienen.” 1 Das macht sie seit mehreren Jahren, und ihre Projekte umfassen u.A. die Oil Cleanup X-Challenge (ausgerufen nach dem kriminellen BP-Ölpest-Clusterfuck 2010) und den Ansari X-Prize (aus dem große Teile der NewSpace-Industrie hervorgegangen sind, vergeben 2004).

Aber was passiert, wenn man diese zwei Konzepte — Crowdfunding und das Verbessern der Welt — kombiniert?

Das versuchen die XPRIZE-Leute jetzt mit ihrere neuen Plattform HeroX herauszufinden. Jeder Mensch kann sog. Herausforderungen (Challenges) aufstellen, z.B. “Finde eine kostengünstige Möglichkeit, arme und entlegene Gebiete sauber mit Strom zu versorgen”. Oder “Wir brauchen essbare Wasserflaschen”. Oder “Reduziere Staus in der San Francisco Bay Area um 10%”. Oder “Wir müssen ein Generationenschiff nach Alpha Centauri schicken”. Keine Idee ist zu verwegen oder zu wild!

Sagen wir, Du hast eine Idee, wie man die Welt verbessern kann. Wenn Du die auf der Website eingestellt hast, fängt die Crowdfunding-Phase an. Du versuchst, andere Leute für die Idee zu begeistern, und die steigen mit ein, und geben Geld dafür. Zusammen ergeben diese Spenden dann das Preisgeld, das Erfinder einstreichen können, wenn sie sich mit ihrer (potentiellen) Lösung der Herausforderung gestellt und gegen ihre “Konkurrenz” behauptet haben. Mit dem Preisgeld kann das Projekt dann weiter verfolgt werden.

HeroX ist ein Werkzeug, das Leute weltweit zusammenbringen kann, um gemeinsam die Menschheit voranzubringen, im Großen wie im Kleinen. Sie wissen vielleicht nicht, welche Probleme die Menschen in Südamerika oder Afrika umtreiben — aber u.U. haben ja Beppi in Schwabing oder Anders in Södermalm oder Nishiko in Shinagawa die passende Lösung dafür. Oder umgedreht!

Brillantes Konzept.

Was mich daran happy macht

Crowdfunding funktioniert, das haben Kickstarter & Co. gezeigt. Aber an dem Punkt, an dem ein Projekt auf KS beginnt, ist schon viel Vorarbeit geleistet worden. Die Leute mit dem Projekt haben ein Problem identifiziert, dann haben sie eine theoretische Lösung dafür entwickelt, dann entschieden sie sich dafür, es selbst zu verwirklichen, dann entwickelten sie evtl. schon einen Prototypen, dann haben sich bei KS beworben und dann sind sie akzeptiert worden. Das sind recht viele “dann”!

Das, was HeroX macht, ist das Crowdsourcing auch dieser einzelnen Schritte. Die Idee, die “Macht des Schwarms” auf so unterschiedlichen Ebenen in einer Plattform zu vereinen, ist für mich unglaublich inspirierend. Ich kann nicht absehen, ob es funktionieren wird, aber ich hoffe es sehr!


Zu guter Letzt…

Personalized Medicine Meets Cancer Immunotherapy — Das MIT Technology Review gibt einen Einblick in neue personalisierte Behandlungen, mit denen Onkologen Krebs in ihren Patienten bekämpfen. Es gibt mehrere Firmen und Institute, die Wege suchen (und auch finden), des jeweiligen Patienten eigenes Immunsystem darauf zu trainieren, Krebszellen zu finden und zu zerstören. Tests mit menschlichen Patienten laufen, mit vielversprechenden Ergebnissen.

Researchers create miniature human retina in a dish — Wissenschaftler an der Johns Hopkins University School of Medicine, Maryland (USA), haben eine Miniatur-Retina in einer Petrischale gezüchtet, die dank funktionierender Photorezeptor-Zellen Licht wahrnehmen kann. Die Hopkins-Leute sagen, ihr neuentwickeltes System erlaubt ihnen, aus dem Gewebe eines Patienten mit Retinitis Pigmentosa gleichzeitig hunderte von Mini-Retinas zu züchten, um die Krankheit gezielt im Labor an menschlichem Gewebe zu untersuchen, statt auf Tierversuche zurückzugreifen. Das dürfte die Erforschung solcher Augen-Degenerationen beflügeln, denke ich. Induzierte pluripotente Stammzellen FTW!

Neue Gentherapie verspricht HIV-Heilung durch DNA-Umschreibung“Im Februar 2009 veröffentlichte der Berliner Hämatologe Gero Hütter im New England Journal of Medicine einen kurzen Bericht über einen ungewöhnlichen Fall: Nach einer Stammzellen-Transplantation war sein Blutkrebs-Patient, der Amerikaner Timothy Ray Brown, nicht nur von seiner Leukämie geheilt, sondern auch vom HI-Virus, mit dem er infiziert war. Die Nachahmung dieses außergewöhnlichen Erfolgs bei anderen HIV-Infizierten mit gentherapeutischen Mitteln ist jetzt, dank einer neuen Studie, in greifbare Nähe gerückt.” Whoa.

Scientists bend banana genome to help children overcome vitamin A deficiency — Die australische Queensland University of Technology (QUT) hat mittels Gentechnik eine Koch-Bananen-Sorte verändert, um ihren Beta-Karotin-Level zu erhöhen. Der menschliche Körper wandelt Beta-Karotin in lebenswichtiges Vitamin A um — und genau das ist in Uganda und umliegenden Ländern ein solcher Mangel, dass jährlich Tausende Kinder aufgrund dieses Mangels erblinden oder sterben. Die ersten 10 kg sind diese Woche nach Uganda gesandt worden, wo sie erstmalig menschlichen Tests unterzogen werden; der Plan ist, die Bananen bis 2020 direkt in Uganda anzubauen. Generell bin ich kein Fan von GMO-Pflanzen, zumal die meisten Veränderungen in der westlichen Welt kommerzieller Bullshit sind; aber die Idee, den Vitamin-Gehalt zu erhöhen, um damit Leben zu retten — das ist nobel.


  1. Danke, Wikipedia↩︎

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Carlo Zottmann @czottmann