Neues aus der Zukunft #17: Die mit Nanosatelliten, FAT10-Mäusen, Neuroimplantaten und 3D-Drucker-Zeugs

Donnerstagmorgen sind dafür da, um die erste Woche Frühling Revue passieren zu lassen, und Bestnoten zu verweigern. Verdammt, Frühling, was soll der Blödsinn? Hör auf die Blumen und die Bienen zu verwirren. Die kleinen Racker frieren sich noch die Stempel ab, und das möchte niemand sehen.

Während ich etwas missmutig auf die Sonne wartete, habe ich für diese Ausgabe Schönes über Mikrosatelliten, ein Unfallopfer, Hirnimplantate, alte Mäuse mit tollem Fell und Süßkram zusammengetragen. Damit solltet Ihr locker die letzten paar Tage überbrücken können, bis der Frühling komplett ausgeschlafen hat. Und jede dieser Meldungen kann man total gut weitererzählen! 1 Und wenn Euch fad werden sollte, schreibt mir Mails! Ich mag Feedback, positives wie negatives.

Bis in zwei Wochen,

—Carlo.


Satelliten aus Smartphones

Okay, nicht 100% aus Smartphones, aber: die US-Firma Planet Labs hat sich darauf spezialisiert, kleine Satelliten aus existierenden Hardware-Komponenten zu bauen, z.B. aus Teilen, die normalerweise in Smartphones Verwendung finden. Sie nennen das Prinzip “agile aerospace” (zu Deutsch “agile Luft- und Raumfahrt”), und schaffen es so, schnell und kostengünstig Nanosatelliten zu entwickeln und kontinuierlich zu verfeinern.

Wenn die Geräte an ihrem Einsatzort im Erdorbit angelangt sind, machen sie hochauflösende Fotos der Erdoberfläche. Seit Januar hat Planet Labs bereits 28 Satelliten im All (in ca. 400 km Höhe), deren Kameras eine Auflösung von 3-5 m haben. Aber das war nur der Anfang: die Firma hat vermeldet, dass sie in diesem Jahr mehr als 100 ihrer Cubesats ins All bringen werden — die Plätze sind gebucht, sowohl auf US- als auch russischen Raketen.

Planet Labs’ Ziel: mit allen Geräten im Einsatz kann die Firma ein “komplettes Bild” der Erde machen… pro Tag. Die Daten sollen Forschung und Wirtschaft mehr Datenpunkte geben, um bessere und nachhaltigere Entscheidungen zu treffen. Wieviel Wald wird tatsächlich täglich abgeholzt, welche Gebiete werden überfischt, wo drohen landwirtschaftliche Probleme usw.? Und das tagesaktuell! Wow.

(Mit etwas Glück werden dann auch die Satellitenbilder bei Google Maps & Co. etwas besser — im Hinterland, wo meine Eltern wohnen, sieht aufgrund der niedrigen Auflösung alles nach Kiesgrube und Nachkriegszeit aus… ;))

Bonus-Link: die Firma Skybox Imaging verfolgt ein ähnliches Ziel, aber ihr Gebiet sind hochauflösende Videoaufnahmen aus dem All. Link zu einigen Vorzeigeaufnahmen gibts weiter unten.

Was mich daran happy macht

Eine kleine, kommerziell agierende Firma, die ein einziges Office hat und gerade erst 4 Jahre alt ist, entwickelt Nanosatelliten und wird aller Voraussicht nach Ende 2014 schon mehr als 100 davon im Einsatz im All haben. Das so etwas tatsächlich möglich ist, finde ich faszinierend.

Übrigens: Mehr zu Cubesats gabs schon in NadZ #6, “Was ich meine, wenn ich von ‘NewSpace’ spreche”.


Gesicht aus dem 3D-Drucker

Der Brite Stephen Power hatte 2012 einen schweren Motorradunfall, in dem er sich nahezu alles im Gesicht brach, was zu brechen war: Nase, Kiefer, Wangenknochen, Augenhöhle, Schädel. In langwierigen Operationen stellten Chirurgen seine rechte Gesichthälfte wieder her. Die linke Hälfte war jedoch zu zertrümmert, ein zu kompliziertes Puzzle für die Mediziner, die befürchteten, bei einem Rekonstruktionsversuch mehr zu zerstören, als sie verantworten konnten.

Aber dann: Technologie! Power’s Schädel wurde gescannt, auf Basis dieser Scans wurde ein physikalisches 3D-Modell erstellt. An diesem wurden dann die Implantate konstruiert und Anleitungen entwickelt, die für die Wiederaufbau der Gesichtshälfte notwendig waren. Mit einem 3D-Drucker wurden diese personalisierten Implantate schließlich hergestellt, mit ihnen konnten die Ärzte die zweite Hälfte des Patientengesichts erfolgreich wiederherstellen.

Sein schwerer Unfall hat (wenig überraschend) mehr Schäden an Stephen Power’s Körper hinterlassen, und der Heilungsprozess ist nicht abgeschlossen — wenn das überhaupt möglich ist. Aber der Junge hat sein Gesicht wieder, er hat nicht mehr das Gefühl, sich verstecken zu müssen. Das ist doch ein schönes Zeugnis für diese noch recht junge Technologie.

Was mich daran happy macht

3D-Drucker sind dabei, einen festen Platz in der Chirurgie zu finden. Statt standardisierten Ersatzteilen kommen immer öfter personalisierte Implantate zum Einsatz. Dank der Drucker können sie schnell und nach Bedarf produziert werden, und geben Medizinern mehr Möglichkeiten beim “Reparieren” ihrer Patienten.

Sucht im Netz mal nach “3d drucker medizin” — die Ergebnisse sind verdammt interessant, das kann ich versprechen. :)


Schlanker, stärker, schöner altern

Forscher an der US-Uni Yale haben bei Mäusen, denen das FAT10-Gen herausgezüchtet wurde, einige interessante Veränderungen festgestellt: die Mäuse sahen jünger aus als ihre “naturbelassenen” Altersgenossen, lebten 20% länger, setzten ~50% weniger Körperfett an und hatten schöneres Fell und leistungsfähigere Muskeln.

Da sich DNA- und Proteinsequenzen des FAT10-Gens zwischen Mensch und Maus anscheinend nicht so sehr unterscheiden2, sehen die Wissenschaftler ihre überraschenden Erkenntnisse als möglichen neuen Ansatz für neue Therapien an menschlichen Patienten. Yay!

Ich freue mich sehr auf mein schöneres Fell im hohen Alter.

Yale News: “A long — and lean — life for mice missing just one gene”


Die Zukunft der Hirnimplantate

Im Wall Street Journal erschien ein spekulativer und hochinteressanter Artikel von Dr. Gary Marcus und Christof Koch, ihres Zeichens Professor der Psychologie an der New York University (Dr. Marcus) und Chief Scientific Officer des Allen Institute for Brain Science in Seattle (Dr. Koch). Die Autoren beleuchten darin die mögliche bzw. wahrscheinliche Zukunft der Neuroimplantate.

Ihre Prognose: in den nächsten Jahrzehnten werden sich Neuroimplantate, die die Sinne ihres Besitzers schärfen oder ihm direkten Zugang zum Netz oder Computern bieten, zu einer Normalität entwickeln. Anfangs werden Implantate der Behebung und Linderung von Defekten oder der Unterstützung des Patienten bei Krankheiten dienen3, aber mit den wachsenden Fähigkeiten der Technologie und unserem ebenso wachsenden Verständnis des Hirns wird der Übergang zum “Lifestyle-Produkt” unvermeidlich sein. Eine interessante (englischsprachige) Abhandlung!

Ich als Technikoptimist bekomme bei derlei Themen natürlich glänzende Augen, aber ich weiss auch, dass solche Entwicklungen und die damit verbundenen Eingriff ins “Menschsein” genug philosophischen, ethischen und auch religiösen Diskussionsstoff für Generationen liefern dürften. Wie ich schon sagte: hochinteressante Sache.

Wall Street Journal: “The Future of Brain Implants”


Schokolade im 21. Jahrhundert

Es gibt jetzt das Killerargument für die Gespräche mit desinteressierten Menschen, denen man die Vorzüge des 3D-Drucks verständlich machen möchte:

Die australische Firma ChocaByte verkauft einen 3D-Drucker für den Heimgebrauch, der rund $100 kostet — und nur Schokolade druckt.

Technologischer Fortschritt ist ein Fest für die Sinne (und Hüften).

ChocaByte: The worlds first affordable personalized chocolate 3D printer


  1. Zwinker, zwinker. ↩︎

  2. Quelle: Dr. Allon Canaan der Yale School of Medicine, siehe Yale-Pressemitteilung. ↩︎

  3. Man denke an Cochleaimplantate oder auch Retinaprothesen (siehe NadZ #9, “Schau mir in die Kameras, Kleines”). ↩︎

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Carlo Zottmann @czottmann