Neues aus der Zukunft #16: Die mit der DNA-Sequenzierung, den Drohnen, der Sonnenkugel und dem Todeslaser

Donnerstagmorgen sind dafür da, sich zu freuen, dass das Web gerade 25 Jahre alt geworden ist. Wie war das nur vorher — wo haben wir nur drollige Katzenbilder, all die kostenlose Pornographie und unsere erbaulichen Neuigkeiten von Morgen herbekommen?

Man möchte gar nicht darüber nachdenken. Schlimme Zeit.

In dieser Ausgabe habe ich wieder etwas an der Aufteilung bzw. am Format geschraubt. So gibts u.A. (auch aus Zeitmangel) einige kürzere Artikel, die ich mit einigen wenigen Sätzen und einem einzelnen Link zusammengefasst habe. Zu lang für Zu guter Letzt, zu kurz für das normale Artikelformat. Nicht wundern, ich habe also nicht geschludert, ich bin nur experimentierfreudig. ;)

Wenns Euch taugt, oder Ihr eine der Stories mögt, verbreitet sie bitte weiter! Mehr Leser → ein fröhlicher(er) Carlo. Danke!

Bis zum nächsten Mal,

—Carlo.


Human Longevity, Inc.

Anfang März verkündete der US-Genetiker Dr. J. Craig Venter die Gründung seiner neuen Firma, Human Longevity, Inc. (HLI), deren Ziel es ist, die Forschung für ein längeres und gesünderes Leben voranzutreiben. 1 Zu diesem Zwecke wird HL die größte DNA-Sequenzierung der Geschichte angehen: pro Jahr sollen 40.000 menschliche Genome sequenziert und “kartographiert” werden.

Die so gewonnenen DNA-Datensätze werden dann mit vielen anderen Informationen zu Gesundheit und körperlicher Verfassung (der teilnehmenden Patienten) referenziert, um so (hoffentlich) den molekularen Gründen für das Altern und altersbedingten Krankheiten auf die Schliche zu kommen.

HLI’s grundlegende Vermutung ist, dass man, sollte man das Altern verlangsamen können, auch den damit verbundenen Krankheiten Einhalt gebieten könnte. Und mit solchen Informationen lässt sich Geld verdienen. (Der freie Markt etc.)

Ob diese Vermutung richtig ist, wird sich zeigen. Die wissenschaftlichen Daten, die in der Art gesammelt und ausgewertet werden, dürften unabhängig davon für Biologie und Genetik allein schon ihrer Breite wegen sehr interessant sein. Ich nenne sowas gern “Kollateralerkenntnisse”.

Was mich daran happy macht

Erstens: die Kosten für eine einzelne Sequenzierung liegen mittlerweile bei weniger als $1.000; die Sequenzierung an sich dauert weniger als 24 Stunden. Laut National Human Genome Research Institute (USA) lagen die Kosten dafür im Jahr 2001 noch bei $100.000.000 (ja, $100 Millionen) und nahm mehrere Monate Zeit in Anspruch.

Zweitens: Die Idee ist nicht nur das Hirngespinst eines einzelnen Mannes. In der letzten Zeit sind mehrere Firmen gegründet würden, die das gleiche Ziel haben und/oder den gleichen Weg gehen. Dr. Venter geht davon aus, dass HLI’s 40.000 Scans pro Jahr nur der Anfang sind, und sein Team relativ bald auf 100.000 Sequenzierungen pro Jahr aufstocken können.

Der Wettlauf nimmt Fahrt auf. Das macht mich verdammt happy. :)


Drohnen: es geht auch friedlich!

Drohnen. Die meisten Menschen denken, wenn sie das Wort “Drohnen” hören, vermutlich an militärische “Tod von oben”-Einsätze in Ländern, die man nie selbst besuchen würde. Oder auch die totale Überwachung durch den Staat und/oder privatsphärenaushebelnde Schlimmfinger.

Aber Drohnen und UAVs 2 an sich, als Technologie, sollten keine Angst machen, haben sie doch ein gewaltiges Potential in vielen verschiedenen Einsatzfeldern, nicht nur dem militärischen. Genau wie andere technologische Entwicklungen in der Menschheitsgeschichte können sie unterschiedlich eingesetzt werden, und die Aggressions- bzw. Verteidigungsindustrie ist halt einfach sehr gut darin, neue Möglichkeiten zu erkennen und als erster Akteur schnell auszuloten. Ein gutes Beispiel dafür ist z.B. die Erfindung der Metallurgie: sie hat uns Schwerter gegeben, um “besser” Krieg führen zu können, klar. Aber später dann eben auch T-Träger für den Hausbau, Stahlkappen für Emo-Schuhwerk und ethisch unbedenkliche Löffel, um Nutella-Gläser auszukratzen.

In den letzten Wochen bin ich über zwei interessante, nicht-militärische Drohnen-Projekte gestolpert.

Zum einen haben die Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) einen Wettbewerb mit einer Million USD Preisgeld gestartet, um ein Drohnen-basiertes Liefernetzwerk für Regierungsstellen aufzusetzen. Die Teilnehmer sollen zivile Drohnen entwickeln, die Dokumente zwischen Regierungsbehörden transportieren können. Die Lieferbehälter wären biometrisch gesichert, um Unbefugten den Zugang zu verwehren. Der Wettbewerb läuft im Mai aus, und die VAE gehen von einem 6-monatigen Test aus, an dessen Ende der reguläre Betrieb steht. Die Fluggeräte würden nicht autonom arbeiten, sondern von Piloten gesteuert werden.

Sollten sich das Projekt bewähren, könnte es nach Angaben der VAE-Regierung auf Verkehrsüberwachung und für wissenschaftliche Zwecke ausgedehnt werden.

Das zweite Projekt finde ich persönlich spannender, weil es sowohl technologisch als auch ethisch anspruchsvoller ist. Die US-Firma Matternet will ein Netzwerk von günstigen autonomen Liefer-Drohnen aufbauen, über das materielle Güter wie Medizin oder Nahrung schnell und kostengünstig transportiert werden können. Matternet’s Ansatz ist dabei erwähnenswert: anders als andere Startups und kleine Firmen setzen sie nicht auf den Luxusmarkt, in der Hoffnung, dass die Technologie irgendwann auch den ärmeren Bevölkerungsschichten zu Gute kommt. Im Gegenteil, Matternet geht dorthin, wo Not am Mann ist, wo Menschen auf Hilfe angewiesen sind, weil sie (vielleicht durch Katastrophen oder einfach aufgrund klimatischer Bedingungen) keine festen Straßen und Lieferwege haben, um Güter in entlegene Dörfer zu transportieren. Ihre Prototypen haben sie so bisher u.A. in Haiti und der Dominikanischen Republik getestet. Das macht wirtschaftlich kurzfristig vielleicht nicht soviel Sinn, aber Matternet-Mitgründerin Paola Santana drückt es so aus: “Die Menschen, die diese Technologie am besten verstehen, sind die Menschen, die sie am dringensten benötigen.”

Da die Drohnen nur eine begrenzte Reichweite haben — Matternet’s UAVs schaffen derzeit ~20 km — wären die einzelnen Netzwerk-Stationen Umschlagplatz oder Tankstelle: eine Drohne landet, das Paket wird entweder an eine andere Drohne übergeben, oder es wird die Batterie getauscht, bevor es zur nächsten Station weitergeht. Dieses Matternet wäre dabei ähnlich robust wie das Internet aufgebaut: sollte eine Station ausfallen, würden Pakete einfach über eine andere geroutet werden.

Matternet ist ein schönes, sinnvolles, kapitales Projekt, vor dem ich meinen Hut ziehe! Ich finde es sinnvoller als Amazon’s “angekündigtes” Liefer-Drohnen-Programm, das im Dezember durch die Presse ging. Ich denke, die Meldung diente Amazon in erster Linie dazu, die US-Regulierungsbehörden aufzuwecken, damit sie ihnen entweder aus dem Weg gehen und/oder die ziemlich wirre Gesetzeslage in den Staaten (bzgl. UAVs) klären.

Der Wunsch ist allerdings berechtigt: weltweit stehen die meisten Staaten der zivilen Nutzung von Drohnen etwas hilf- und ratlos gegenüber, und reagieren entweder mit Überregulierung oder der Hoffnung, dass das Problem von allein verschwindet, wenn man es nur lang genug ignoriert. (Viel Glück damit.) Das Thema wird uns noch lang begleiten, und diese Technologie wird einige Industriezweige und Bereiche unseres Zusammenlebens umkrempeln.

A propos Überregulierung: ein (zugegebenermaßen heiteres) Beispiel dafür ist ein kleines kommerzielles Projekt aus den USA, das mittlerweile eingestellt werden musste: Lakemaid lieferte per Drohne Bier an Eisfischer in ihren Hütten auf dem zugefrorenen Mille-Lacs-See. Video und Link zum Artikel gibts wie immer etwas weiter unten.


Kugelförmige Solarkollektoren

Der deutsche Architekt André Brößel hat einen Solarkollektor entwickelt, der auf einer transparenten Kugel basiert, die eingefangenes Licht auf eine relativ kleine photovoltaische Zelle fokussiert. Durch dieses Bündeln wird das Licht ca. 20.000× intensiver, und die Ausbeute der Zelle wird ungleich größer. Seine (etwas irritierend benannte) “Rawlemon”-Technologie soll es in verschiedenen Größen geben, ein Crowdfunding-Projekt bei Indiegogo ging mit 180% Backing überaus erfolgreich zuende, die Resonanz ist soweit sehr positiv … und ich bin auf erste echte Tests gespannt. :)

Bonus: aufgrund der beschriebenen Bündelung liefert die Technik auch bei bescheidenen Lichtverhältnissen (diesiges Wetter etc.) Strom — laut Brößel kann auch in klaren Mondnächten Energie erzeugt werden, wenn auch nur in sehr geringem Maße. Das hat doch mal echtes Potential!

Die Welt: “Deutscher erzeugt mit Glaskugel Strom aus Mondlicht”


Todeslaser gegen Weltraumschrott

Die NASA und Australien entwickeln gemeinsam einen Hochleistungslaser, um sich der ca. 300.000 derzeit im Erdorbit befindlichen Teile Weltraumschrott anzunehmen. Im Rahmen der Initiative soll die existierende Lasertechnologie verfeinert werden, mit der der Schrott verfolgt und “kartografiert” wird; die Laser sollen dann aber in einer zweiten Phase verstärkt werden, um die Flugbahn der Teile zu beeinflussen, so dass sie in die Atmosphäre eintreten und dort harmlos verglühen. Als Zeitplan wurden die nächsten 10 Jahre angegeben.

SPACE LASER \o/

The Guardian: “Take that, space junk! Australian scientists to zap debris with lasers


3D-Druck im Weltraum, die Zweite

Vor ein paar Monaten schrieb ich schon einmal eine Meldung über Tethers Unlimited, als die Firma einen Vertrag als Teil von NASA’s Innovative Advanced Concepts-Programm (NIAC) erhielt, um robotische 3D-Druck-Systeme für den Einsatz im Weltraum zu entwickeln. 3 Anfang März schlossen beide Parteien nun einen weiteren Vertrag ab; TU erhält weitere $750.000, um ihr sog. “Trusselator”-Gerät weiterzuentwickeln. Die NASA scheint es also tatsächlich ernstzumeinen mit der Vor-Ort-Fertigung von Stationen!

Moonandback: “NASA Bets on Tethers Unlimited for 3D Printing in Space”


  1. Dr. Venter war schon einmal Thema eines Artikels, in Ausgabe #5: “Craig Venter’s Bio-Drucker”↩︎

  2. UAV, engl. “unmanned aerial vehicle”, unbemannter Flugkörper. ↩︎

  3. Siehe NadZ #1, “Ich druck’ mir eine Raumstation”↩︎

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Carlo Zottmann @czottmann