Neues aus der Zukunft #11

Donnerstagmorgen sind dafür da, um die Feuerzangenbowle beim Frühstück vor der Ehefrau mit “Aber wir haben keinen Kaffee mehr im Haus” zu rechtfertigen. (Und damit zu scheitern.)

Diese Woche gibt es Beeindruckendes aus der Hirnforschung, eine genetische Abnehmhilfe, Neues aus der Stammzellenforschung, einen Überraschungserfolg im Kampf gegen HIV, Gentherapie gegen Herzschwäche, und etwas Hochprozentiges. Eine feine Mischung! Mein Dank geht auch diese Woche wieder an Gastoptimist Oliver Wunderlich für seine schöne Meldung zur Gesellschaft.

Oh, meine Bowle ist heiss! Viel Spaß mit dieser Ausgabe #11. Bei Fragen, Themenvorschlägen, Lob oder Kritik schreib mir eine Mail oder einen Tweet! Ich mag Feedback.

Bis nächste Woche,

—Carlo.


Schrittmacher fürs Hirn

Die US-amerikanische Food and Drug Administration (FDA, die Lebensmittelüberwachungs- und Arzneimittelzulassungsbehörde) hat dem sog. “NeuroPace RNS® System” die medizinische Zulassung erteilt. Dabei handelt es sich um einen Neurostimulator für Epileptiker. Das Gerät wird unter die Schädeldecke des Patienten implantiert, und überwacht die elektrischen Aktivitäten in den Teilen des Gehirns, die für die epileptische Krampfanfälle verantwortlich sind. Wenn es dort Unregelmäßigkeiten wahrnimmt, liefert es eine nicht wahrnehmbare elektrische Stimulation, um diese Störungen zu normalisieren.

Die FDA stellte in ihrem 3-monatigen Tests fest, dass knapp ein Drittel der überwachten Patienten einen Rückgang ihrer Anfälle um 50% erfuhr. NeuroPace gaben in ihrer Pressemitteilung an, dass es in ihren Langzeittests nach 2 Jahren schon 55% der Patienten waren. Nicht schlecht.

Trotz hohem Wow-Faktor ( “Medizinische Zulassung für Hirnimplantate!!1”) sollte aber klar sein, dass dieser Neurostimulator nicht das eigentliche Problem behebt—er unterdrückt “nur” die Symptome. Für manch einen Betroffenen dürfte das allerdings schon eine Verbesserung der Lebensqualität darstellen.

Was mich daran fasziniert: dies ist schon die zweite Story über Neurostimulatoren, über die ich in den letzten 6 Monaten gestolpert bin. (Die erste war der 39-jährige Andrew Johnson in Neuseeland, der einen Stimulator implantiert bekam, um seiner Parkinson-Krankheit etwas entgegenzusetzen. Das kurze Video im Artikel (siehe Links zum Thema) ist beeindruckend und beklemmend zugleich.) Wir sind Dir auf der Schliche, Hirn! :)

Weltweit leiden ca. 65 mio Menschen an Epilepsie.

Links zum Thema:


Implantierbare Schlankmacher

Biotechniker der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich (Schweiz) haben einen implantierbaren, genetischen Regulator entwickelt, der Blutfett-Werte in Mäusen überwacht. Wenn diese einen gesunden Schwellenwert überschreiten, sendet der Regelkreis Botenstoffe aus, die dem Körper Sättigung signalisieren. Wenn die Werte sich normalisieren, wird die Produktion der Botenstoffe wieder eingestellt.

Das Ergebnis im Labor: Fettleibige Mäuse mümmelten weniger vom reichlich vorhandenen Futter, und nahmen nach und nach ab. Als sie ihr “Idealgewicht” erreichten (und durchschnittliche Blutfett-Werte), aßen sie wieder normal.

Auch, wenn die Resultate nicht direkt auf Menschen übertragbar sind, so ist das doch ein ermutigender Schritt zum Ziel hin, das wachsende Gewichtsproblem weltweit in den Griff zu bekommen. Laut WHO sind mehr als die Hälfte der Menschen in Industrieländern übergewichtig, jeder Dritte davon stark. Je höher das Übergewicht, desto höher das Risiko auf Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes Typ 2, beides häufige Todesursachen in westlichen Industrienationen.

Links zum Thema:


Hautzellen in Lungenzellen transformiert

US-Wissenschaftler am Columbia University Medical Center (CUMC) haben es erstmals geschafft, Hautzellen in Lungenzellen umzuwandeln. Ihr neuentwickeltes Verfahren hat großes Potential: es ermöglicht die bessere Erforschung von Lungenkrankheiten, erweiterte Arzneimitteltests und (längerfristig) auch, Lungengewebe für Transplantationen züchten zu können.

In den letzten Jahren hat die Wissenschaft viel erreicht: aus Hautzellen gewonnene Stammzellen können u.A. in Herz-, Leber- und Nervenzellen umgewandelt werden, bis jetzt jedoch noch nicht in Lungenzellen. Zwar liegt eine klinische Anwendung dieser neuen Technik noch mehrere Jahre in der Zukunft, die Meldung stimmt mich aber doch positiv: derzeit sind Patienten, die eine Lungentransplantation erhielten, nämlich im Durchschnitt alle fünf Jahre auf einen neuen Lungenspender angewiesen. Ihnen könnte aller Voraussicht nach dauerhaft geholfen werden, könnte man neue Lungen aus ihren eigenen Zellen züchten. Bald…!

Links zum Thema:


Gesellschaft: Alkoholkonsum rückläufig!

Nichts beweist doch eindeutiger, wie schlecht es um unsere Gesellschaft steht, als die ständige Zunahme des Alkoholkonsums, oder? Immer dieser Leistungsdruck und immer dieser Stress, das kann man ja auch nur aushalten, indem man sich ab und zu ‘mal die Kante gibt! Und dann diese Alkoholikertreffen, wie z.B. das Oktoberfest in München—peinlich, was da getrunken wird! [Ey! —Anm. Carlo]

Doof an diesem Standpunkt ist nur, das er völlig falsch ist. Die World Health Organization (WHO) teilt uns dieses Jahr mit, das in Deutschland der Alkoholkonsum seit 40 Jahren ständig rückläufig ist: von 15 Litern 100%igem1 pro Person Mitte der Siebziger—umgerechnet ca. 600 halbe Bier!–auf unter zehn Liter im letzten Jahr. Und seit vier Jahren nimmt überraschenderweise auch kontinuierlich der Alkoholkonsum bei Jugendlichen ab, bei (gefühlt) zunehmender Frequenz des Themas “Komasaufen” in Boulevard und Politik.

Prost!

Links zum Thema:


Zu guter Letzt…

Kleinkind dauerhaft von HIV geheilt — Der Behandlungserfolg bei einem mit HIV zur Welt gekommenen Mädchen lässt hoffen, dass eine frühe Therapie die Vermehrung der Viren bei Neugeborenen verhindern kann. Die Kleine bekam insg. 18 Monate lang antiretrovirale Medikamente, danach traten keine Symptome der Krankheit mehr bei ihr auf. Wegen dieses Überraschungserfolgs startet 2014 in den USA eine durch Bundesmittel geförderte Studie, in deren Zentrum eine solche Therapie für Neugeborene mit HIV-Infektion steht.

Retrograde Gentherapie repariert Herz (englisch) — Starke Meldung, u.U. komme ich darauf in einer der nächsten Ausgaben nochmal zurück: in den USA wurde Anfang November ein Patient, dessen Herz nach einem Anfall 2003 nur noch mit halber Kraft lief, mit einer sog. retrograde Gentherapie behandelt. Über einen Katheter (minimal-invasiv!) wurde das Herz mit reiner menschlicher DNA (dem Botenstoff SDF-1) durchspült, die dem Körper signalisiert, dass das Organ repariert werden muss, was die im Körper vorhandenen Stammzellen dann auch tun. Der Mann war während der Operation bei Bewusstsein, konnte kurz danach das Krankenhaus verlassen, und fühlt sich nach eigenem Bekunden “so gut wie seit Jahren nicht mehr”. HOT DAMN.


  1. Die Statistik der WHO rechnet alle Getränke in 100%igen Alkohol um. ↩︎

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Carlo Zottmann @czottmann