Neues aus der Zukunft #8

Donnerstagmorgen sind dafür da, um darüber irritiert zu sein, dass Astronomie (Wissenschaft) in Deutschland immer noch weniger Freunde hat als Astrologie (grober Unfug).

Ironischerweise gibts heute rein gar nix zur Astronomie/Raumfahrt; das primäre Thema diesmal ist die Gentechnik, wo gerade etwas die Post abgeht. Und dann gibts noch etwas Alltägliches, was mich trotz seiner Alltäglichkeit immer wieder ziemlich flasht. Und ausserdem habe ich diese Woche zwei inspirierende Meldungen zur elektrischen Mobilität gefunden.

Ich hoffe, ich kann Dich auch diese Woche etwas aufmuntern, dafür mache ich das hier ja schließlich. :) Bei (Nicht-)Gefallen schreib mir eine Mail! Ich mag Feedback.

Bis nächste Woche,

—Carlo.

PS: Es besteht die Möglichkeit, dass die #9 erst Ende des Monats erscheint—u.U. habe ich nächste Woche nicht genug Zeit, um eine Ausgabe zu schreiben. Ich gebe mein Bestes, aber wundere Dich bitte nicht, sollte am nächsten Donnerstag kein NadZ in Deiner Mailbox liegen.


Durchbruch in der Gentechnik

Bei der sog. Gentherapie handelt es sich um ein Feld in der Gentechnik, bei dem in die Körperzellen eines Patienten Nukleinsäuren (DNA & RNA) eingefügt werden, um Gendefekte oder Krankheiten zu behandeln. Wenn z.B. ein defektes Gen eine Störung oder Krankheit hervorruft, kann es durch eine intakte Version ersetzt werden, um damit die Ursache des Problems zu beheben.

Soweit zumindest die Theorie. Die gängigste Methode des Einsetzens ist es, modifizierte Viren zu benutzen, die die veränderten Gene in das Erbgut der Zellen einschleusen. Das schaffen die Viren schon—aber wie und wo genau, das entzieht sich unserer Kontrolle, können sie doch nicht 100%ig gesteuert werden. Wird aber das veränderte Gen an der falschen Stelle eingesetzt, so kann es u.U. großen Schaden anrichten. Der Prozess ist also nicht zielgerichtet genug, um ihn überwiegend als “sicher” bezeichnen zu können.

Auftritt CRISPR-CAS9! Was nach einer Mischung zwischen einem Kellogs-Produkt und einem Spezialkommando der Polizei klingt, ist eine Sensation. CRISPR ( “clustered regularly interspaced short palindromic repeats”) sind in Bakterien vorkommende Abschnitte sich wiederholender DNA; bis vor ein paar Jahren dachte die Wissenschaft noch, dass es sich dabei um sog. “ junk” (engl., “Müll”), also überflüssige DNA, handelt. Im Jahr 2007 stellte man dann fest, dass diese Teile der DNA tatsächlich zu einem cleveren Abwehrmechanismus gehören, mit dem die Bakterien Viren bekämpfen und Immunitäten aufbauen. Wenn die Bakterien mit Hilfe der Information in diesen Abschnitten einen Angreifer erkennen, setzen ihn ausser Gefecht, indem sie dessen DNA-Moleküle mit Hilfe von Enzymen kleinschneiden.

Zwei Wissenschafterinnen, Prof. Jennifer Doudna (UC Berkeley, USA) und Prof. Emmanuelle Charpentier (Umea University, Sweden), haben darauf basierend zusammen in den letzten Jahren eine Technik entwickelt, die es erlaubt, DNA punktgenau bearbeiten zu können. Sie bedienen sich dabei eines Enzyms namens CAS9, das sie “programmiert” haben, einen DNA-Strang an exakt vorgegebenen Stellen zu zertrennen. In diese Stellen können dann neue Informationen/Gene eingesetzt werden.

Ihre Arbeit stellt einen Durchbruch in der Gentechnik dar: sie haben eine Methode gefunden, die DNA in einem komplexen Genom akkurat zu bearbeiten.

Ihre Technik wurde bereits von mehreren Teams weltweit erfolgreich an den unterschiedlichsten Organismen getestet, von Pflanzen über Fruchtfliegen und Fischen bis hin zu Mäusen, und das Echo war laut und positiv. Der Biochemiker Craig Mello, Nobelpreisträger für Physiologie/Medizin 2006, sagte: “Als ich [die angewandte Technik] in meinem Labor sah, klappte mir die Kinnlade herunter. Ein totaler Anfänger in meinem Labor hat sie erfolgreich eingesetzt.”

Die Möglichkeiten sind in der Tat überwältigend; Prof. Doudnas Team z.B. arbeitet derzeit an möglichen Gentherapien für die Huntington-Erbkrankheiten, die tödlich und bisher nicht heilbar ist. Andere Forscher sprechen bereits über die Veränderung des Gens, das die Erkrankung des Körpers mit HIV zulässt.

Sicher wirft das neue ethische Fragen auf, und auch einige ältere Diskussionen werden sicher erneut aufgenommen werden. Ja, diese Diskussionen sind wichtig und müssen geführt werden, aber wie auch immer sie ausgehen mögen: der Schritt von der Kürbiskanone zum Scharfschützengewehr ist getan, die Gentechnik entwickelt sich (anders als meine Metaphern) vielversprechend weiter.

Links zum Thema:


Nachbrenner für die Wundheilung

Die Körper von jungen Tieren können beschädigtes Gewebe schneller reparieren als die von älteren—das kennt man ja zuhause, wenn der kleine Kevin sich mal wieder das Knie beim Fussballspielen aufschlägt, ist zwei Tage danach alles wieder gut, aber mit Ende 30 zehrt man von solch einer Verletzung wo-chen-lang. Aber warum ist das so?

In embryonalen Stammzellen existiert ein aktives Gen namens Lin28a, dass dafür sorgt, dass beim Kind Haare, Knochen, Knorpel, Haut und andere Weichteile (nach)wachsen. Nach der Geburt stellt es aber nach und nach seine Arbeit ein, und mit Erreichen des Erwachsenenalters ist das Gen dann deaktiviert. Der Frage, was passiert, wenn man dieses “stillgelegte” Gen in älteren Mäusen reaktiviert, sind Forscher vom Boston Children’s Hospital (USA) nachgegangen.

Das Gen also nahm seine Arbeit wieder auf, und die Selbstheilungskräfte der älteren Tierchen wurden wieder so stark wie bei Jungtieren. Die Mäusekörper reparierten Wunden und Verletzungen ähnlich schnell wie Mäuse im embryonalen Stadium; allerdings reguliert Lin28a nicht die Zellheilung in allen Bereichen des Körpers—während Knorpel, Haut und Haare nachwuchsen, zeigte sich z.B. bei Verletzungen am Herzen keine Besserung.

Die Bostoner Wissenschaftler stellten fest, dass Lin28a u.A. funktioniert, weil es ein “Tuning” des Metabolismus der Mitochondrien vornimmt (den “Energieerzeugern” der Zellen)—ein Effekt, der auch durch mit etwas pharmakologischer Hilfe von aussen angeschoben werden kann. Das weist ihrer Meinung darauf hin, dass relativ simples “Reinemachen” auf Zellebene ein neuer Ansatz der regenerativen Medizin sein könnte.

Lin28a existiert in allen komplexen Organismen.

Links zum Thema:


Adhoc-Übersetzung per Smartphone

Schon etwas älter, aber immer noch relativ unbekannt: visuelle Übersetzer-Apps für iPhone & Co. Stell Dir vor, Du bist im fremdsprachigen Ausland unterwegs und stolperst über Schilder, die Du nicht lesen kannst. Du könntest Dein Wörterbuch zücken und nachschlagen, oder aber die Word Lens-App der Firma Quest Visual auf Deinem Smartphone starten, die Kamera auf das Schild richten, und die Übersetzung im Display ablesen—der Text im echten Schild wird dabei mit die Übersetzung ersetzt. Klingt irre, ist es auch. (Schau Dir das kurze Video auf der Website von Quest Visual an!)

Ich mag die App, weil die Idee dahinter klasse ist: sie löst ein Problem, das jeder kennen dürfte, der hin und wieder verreist. Es nutzt die Technologie, die wir ohnehin mit uns rumtragen, um Reisenden das Leben zu vereinfachen. Sicher, die App ist nicht perfekt, und die Auswahl an Sprachen ist (für deutschsprachige Nutzer) dürftig, aber das tut der Sache keinen Abbruch. Ganz ehrlich, wir sind an dem Punkt angekommen, wo ich es fast als Downgrade empfinden würde, wenn mir jemand einen funktionieren Star Trek-Tricorder im Austausch mit meinem iPhone anbieten würde. ;) Dieses kleine, flache, schwarze Ding aus Glas und Metall, das ich immer in meiner Hosentasche bei mir habe, es hat sehr wahrscheinlich mehr Rechenpower als alles, was die NASA vor 30-40 Jahren aufbieten konnte.

Das wird mir hin und wieder klar, und dann muss ich lachen.

PS: Wer einfach nur ein Tool für Spracherkennung-Übersetzung-Sprachausgabe sucht, dem sei die Google Translate-App ans Herz gelegt. Auf deutsch reinsprechen, das Smartphone liest die Übersetzung vor.

Links zum Thema:


Zu guter Letzt…

Tesla Motors investiert stark in Deutschland (Video, 10:24 min, englisch) — Tesla-Chef Elon Musk war vor drei Wochen in München, um ein Servicecenter für Tesla’s elektrische Fahrzeuge einzuweihen. Dort verriet er den Fahrplan für Deutschland: bis Ende 2014 wird jeder Deutsche (ohne umziehen zu müssen!) in Reichweite einer ihrer Supercharger-Station wohnen, die einen Tesla innerhalb von 30-40 min wieder aufladen können. Ich hatte ja gehofft, dass wir bald eine umfassende Abdeckung an elektrischen Auto-Ladestationen sehen werden—nur hätte ich nicht geglaubt, dass es eine amerikanische Firma sein würde, die dieses Projekt hier im Land des Automobilbaus angeht. LOL@you, Volkswagen, BMW & Mercedes. Aber in aller Fairness muss man auch zugeben, dass nur Tesla es ernst meint mit den elektrischen Fahrzeugen.

Pränatale Diagnose ohne Fruchtwasseruntersuchung (englisch) — Das US-Unternehmen Illumina, Inc. hat eine Methode zur Frühdiagnostik von Ungeborenen entwickelt, mit dem genetische Defekte festgestellt werden können, ohne dass die Mütter sich einer Fruchtwasseruntersuchung unterziehen müssen. Dabei wird aus einer Blutprobe der Mutter die fötale DNA des Kindes extrahiert, die dann untersucht werden kann. Der non-invasive Test hat eine sehr hohe Genauigkeit und verringert das Risiko für Mutter und Kind gegenüber herkömmlichen Untersuchungen. Kalifornien hat der Methode schon die staatliche Zulassung erteilt.

Autonome Fahrzeuge im öffentlichen Nahverkehr (englisch) — Die britische Stadt Milton Keynes wird ab 2015 selbstfahrende elektrische Automobile im ÖPNV einsetzen. Die kleinen “Pods” haben Platz für je 2 Personen und decken einen (kleinen) Teil der Stadt ab; anfangs sollen 20 Fahrzeuge eingesetzt werden, bis Mitte 2017 soll die Flotte dann auf 100 Pods anwachsen, und ein größeres Gebiet versorgen. Randnotiz: Die meisten der großen Autohersteller arbeiten mittlerweile an selbstfahrenden Autos, über das Thema werden wir in den nächsten Jahren noch mehr hören.

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Carlo Zottmann @czottmann