Neues aus der Zukunft #5

Donnerstagmorgen sind dafür da, um sich zu wundern, warum dieser komische Newsletter heute schon kommt, und nicht erst am Freitag, wie die letzten paar Wochen. Mysteriös!

Gestern durfte ich im Interview auf Radio Fritz von meinem kleinen Projekt hier erzählen. Das hat mir gefallen. Die Audio-Qualität des Mitschnitts (4:50 min) ist teilweise etwas räudig (vielen Dank, Festnetztelefonie!), aber ich glaube, ich hab mich trotzdem ganz gut geschlagen. In dem Sinne: Hallo, liebe Fritz-Hörer! Willkommen an Bord, ich hoffe, Euch gefällts.

Diese Woche gehts um IBM’s virtuelle Intelligenz in der Medizin, Kakerlaken mit Rucksäcken, Zellverwandlungen und synthetisch hergestellt DNA.

Ich denke, in der nächsten Ausgabe muss ich mich etwas bremsen—das Tempo, das ich bis jetzt vorgelegt habe, macht mir langsam etwas zu schaffen… :) Hast Du eine Meinung dazu? Wenn ja, dann schreib mir eine Mail! Ich mag Feedback.

Bis nächste Woche,

—Carlo.


Dr. Watson

IBMs Supercomputer Watson sorgte vor ca. 2 Jahren für Aufsehen, als er in drei Spezial-Folgen von Jeopardy! im US-Fernsehen mit seinen beiden hochkarätigen menschlichen Gegenspielern regelrecht den Boden aufwischte. Das Ergebnis war mehr als beeindruckend, da die Kandidaten in der Sendung Begriffe erraten müssen, die oft bewußt obskur umschrieben sind—Wortspiele, (Pop-)Kultur-Referenzen und Mehrdeutigkeiten inklusive. Watson analysierte die natürlichsprachigen Hinweise, verstand ihre Feinheiten, und fand die korrekten Antworten in seiner gigantischen Datenbank.

Das war 2011. Watson wurde weiterentwickelt, und eines “seiner” neue Projekte ist die Onkologie. Die Ingenieure bei IBM haben Watson mit medizinischen Informationen, Texten und ca. 25.000 konkreten Fällen gefüttert, um ihm beizubringen, Diagnosepfade und Behandlungsmöglichkeiten zu verstehen. Mit seinen neugewonnenen Fähigkeiten unterstützt die Maschine in einem Pilotprojekt Ärzte in einem Krebszentrum an der Universität von Texas; sie wertet die aktuellen Behandlungsdaten von teilnehmenden Patienten aus, korreliert sie mit anderen und vergangenen Fällen, und entwickelt selbständig Rückschlüsse oder Vermutungen, die den Ärzten in ihrer Arbeit helfen. Laut Dr. Courtney DiNardo, einer Ärztin des Institutes, wurden dadurch schon lebensbedrohliche Komplikationen bei Patienten verhindert.

Aber das wird nicht Watsons letztes Projekt sein. Systeme, die natürliche Sprache und ihre Nuancen verstehen, und uns dabei helfen, sinnvolle Informationen aus gigantischen Datenmengen zu extrahieren: es ist sowohl ein wiederkehrendes Thema in der Science Fiction als auch ein reeller und riesiger (Zukunfts-)Markt. Die Liste an möglichen Anwendungen ist lang und wächst mit jedem Jahr, in dem die Technik schrumpft: 2011 nahm Watson noch ca. 9m³ in Anspruch, heute hat er die Größe einer Pizzaschachtel und ist 2,5× so schnell.

2015 passt die Technik dann vermutlich in eine Deerstalker-Mütze und hilft Detektiven, Verbrechen aufgrund von verwirrenden Hinweisen aufzuklären. Cool.

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Cyborg-Insekten

Vor einem Jahr machte ein Team um Dr. Alper Bozkurt von der North Carolina State University Furore, als sie drahtlos kontrollierbare Kakerlaken vorstellten. Die Schaben wurden mit einem “biologischen Interface” versehen und konnten fortan fremdgesteuert werden. (Die Meldung schwankte auf meiner persönlichen Skala irgendwo zwischen “freaky” und “crazy-knorke”.)

Letzte Woche dann stellte das Team sozusagen Stufe 2 des Projekts vor: eine Software, die die Steuerung eines Kakerlaken-Schwarms koordiniert. Die Idee dabei ist, dass man den kleinen Rackern Sensoren auf den Panzer klebt und sie dort als Scouts einsetzt, wo Menschen nicht so einfach hinkommen. (Zum Beispiel in Katastrophengebieten oder eingestürzten Häusern.) Die Biobots krabbeln durch das Zielgebiet, und ihre Elektronik funkt die eigene Position in Relation zu den Kollegen an den steuernden Computer, der aus diesen Informationen dann ein dreidimensionales Modell des auszukundschaftenden Ortes erstellt. Weitere Einsatzgebiete ergeben sich durch den Austausch der Sensoren im Rucksack der Insekten (radioaktive, chemische, Kameras etc.).

Übrigens, einen solchen “Kakerlaken-Cyborg-Bausatz” kann man ab November im freien (US-)Handel erwerben. Es heisst “RoboRoach” und kostet $99. Heh.

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Neue Leber aus Fettzellen

An der Uni Stanford wurde ein Verfahren entwickelt, mit dem in weniger als 9 Tagen körpereigene Fettzellen in Leberzellen umgewandelt werden können, um mit diesen eine kranke Leber wieder aufzubauen. (Eine gesunde Leber kann sich normalerweise selbst regenerieren, aber bei Lebervergiftungen oder Beeinträchtigungen z.B. durch Alkoholismus kann diese Fähigkeit unter Umständen nicht mehr ausreichen—die Leber stirbt, und mit ihr der Mensch.) Die Umwandlung geht dabei nicht über das Stammzellenstadium, sie erfolgt direkt; die Ausgangszellen können z.B. durch eine Fettabsaugung gewonnen werden. Im Rahmen der Studie wurden die neugewonnenen menschlichen Leberzellen an kompatiblen Mäusen getestet, und funktionierten prächtig.

Die Wissenschaftler hoffen auf klinische Tests in 2-3 Jahren. Sie sehen die Methode als gute Alternative zur Lebertransplantation, u.A. auch, weil die gewonnenen Leberzellen des Patienten körpereigene Zellen sind (also keine Immunsuppression nötig wäre) und bei Bedarf ohne längere Wartezeit relativ schnell hergestellt werden können.

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Craig Venter’s Bio-Drucker

Einer der Väter der synthetischen Biologie, der Genetiker Dr. J. Craig Venter, hat den Prototypen seines sog. “Digital Biological Converter” (DBC) vorgestellt—ein Gerät, das übers Netz DNA-Sequenzen empfangen und diese synthetisch herstellen kann. Der Teil mit dem Internet ist wichtig, weil Venter das, was die Maschine macht, als “biologische Teleportation” bezeichnet. Er stellt sich eine Zukunft vor, wo z.B. Medikamente nicht mehr per Kurier versandt, sondern nur noch als “Blaupausen” an die Geräte geschickt werden, wo sie dann synthetisch hergestellt werden.

Im Augenblick kann der DBC nur DNA produzieren, aber Venter und sein Team arbeiten daran, ihn auch Proteine, Viren und lebende Zellen herstellen zu lassen. Dr. Venter wies darauf hin, dass manche existierenden Impfstoffe ohnehin nur aus DNA-Molekülen bestehen, und das Gerät somit jetzt schon einen praktischen Anwendungszweck bietet. Ein weiteres (noch theoretisches) Einsatzgebiet sieht er z.B. in zukünftigen Mars-Kolonien oder auch der Raumfahrt, wo benötigte Medikamente digital zusammengestellt, als Datenpaket übermittelt und vor Ort hergestellt werden könnten.

Das Projekt wird von DARPA unterstützt; Venters Firma Synthetic Genomics arbeitet an Weiterentwicklungen und der Serienreife des Geräts, so dass es irgendwann beispielsweise in Krankenhäusern eingesetzt werden kann.

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Zu guter Letzt…

XPRIZE Foundation nimmt sich der “Meeresgesundheit” an — Die gemeinnützige XPRIZE Foundation schreibt Preise für technische & wissenschaftliche Entwicklungen aus, die die Menschheit voranbringen (sollen). Diese Woche verkündete die Stiftung, bis 2020 drei neue Wettbewerbe zu veranstalten, bei denen die Meere und deren schwindende Gesundheit der Fokus sind. Ich hoffe, diese bringen ähnliche Erfolge wie seinerzeit der sog. “Ansari X Prize” (1996-2004), der der NewSpace-Bewegung massiven Aufwind gab.

Druckbare Biotechnologie — Ziel des Projekts “Molecular Interaction Engineering” am Karlsruher Institut für Technologie ist es, “gedruckte biologische Schaltkreise und Katalysatoren zu entwickeln, die biologisch-technische Hybridsysteme ermöglichen”. (Mind: blown.) Es wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) seit September mit €3,5 mio auf 5 Jahre gefördert.

Photodynamische Therapie (PDT): Licht gegen Krebs — Kurzfassung: eine lichtaktivierbare Substanz wird einem Tumor zugeführt, dann mit einem Laser beschossen, was “reaktive Sauerstoffspezies” an die Tumorzellen abgibt und sie damit zerstört. Irre! Auf das Thema gestossen bin ich durch den Artikel “How a beam of light cured one woman’s inoperable lung cancer” (englisch), in dem u.A. erwähnt wurde, dass die minimalinvasive PDT in Japan ähnlich oft eingesetzt wird wie chirurgische Eingriffe, und die Überlebensrate der Patienten bei beiden Verfahren vergleichbar ist.

Amateur-Autotester Steve Mahan fährt den Toyota Prius. — Ach ja, das Auto ist Google’s autonome Ausführung: es fährt vollautomatisch. Oh, und Steve Mahan ist zu 95% blind. Und sicher ist die Technik schon: Google’s Testflotte hat bisher erfolgreich über 800.000 km auf Kalifornien’s Straßen zurückgelegt.

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Carlo Zottmann @czottmann