Ja, servus!
Die letzte Woche hatte einige supergute Nachrichten parat. Erstens hat die Wiesn endlich geendet (i.e. das Oktoberfest), und München ist nicht mehr im Ausnahmezustand. Und zweitens habe ich wieder viele interessante Sachen entdeckt und gelesen, und bin dabei extrem ins Schwärmen gekommen—die vollen Artikel in dieser Ausgabe sind deshalb etwas länger als gewohnt. Dafür gibts diesmal auch nur vier davon; als Ausgleich habe ich noch 5 Kurzmeldungen draufgelegt (“Zu guter Letzt…”). Ich hoffe, es gefällt Dir. Wenn nicht, weil zu lang / zu kurz / zu kompliziert / zu einfach / zu doof / etc., schreib mir eine Mail! Ich freue mich ehrlich über Feedback!
Und wenn Dir diese Ausgabe gefällt, empfiehl sie bitte weiter oder teile sie auf Twitter, Facebook oder Google+ (die Links dazu findest Du am Ende der Mail).
Bis nächste Woche,
—Carlo.
Dynamisches aus Boston
Boston Dynamics ist eine Firma in den USA, die sich mit Robotik beschäftigt, speziell damit, Robotern das Laufen beizubringen und sie mobiler zu machen. BD ging 1992 aus dem Massachusetts Institute of Technology (MIT) hervor. Sie ist DARPA-finanziert und hat mehrere unglaublich coole Projekte am Start.
Ich wurde vor ein paar Jahren auf Boston Dynamics aufmerksam, als Videos ihres vierbeinigen BigDog-Roboters die Runde machten, die seine Reflexe zeigten ( beeindruckendes/heiteres Video, 2:12 min). BigDog wird primär fürs Militär entwickelt; sein aktueller Nachfolger LS3 ( “Legged Squad Support System”) ist ein Lastenträger für unwegsames Gelände, der überall dort hingehen kann, wo auch Marines und Soldaten zu Fuß hinkommen—Steigungen, Geröll, matschige Wege, Schnee und Wasser inklusive. ( Tolles Video aus dem Gelände, 1:30 min.) LS3 wertet das vor ihm liegende Terrain aus, um seinem Führer automatisch zu folgen, und kann bei Bedarf auch selbständig GPS-Koordinaten ansteuern. Er schleppt bis zu 180 kg, der eingebaute Verbrennungsmotor hat genug Treibstoff für 24h bzw. 32 km.
Neben BigDog arbeitet die Firma noch an anderen interessanten Projekten, u.A. an…
- dem humanoiden Atlas (irres Video von Atlas auf Geröll, 1:04 min)
- RHex, einem sechsbeinigen Aufklärer ( Video, 1:53 min)
- dem Kletterer Rise, der Wände und Bäume bezwingt ( Video, 1:28 min)
Boston Dynamics’ neueste Kreation ist der Vierbeiner WildCat, der diverse Untergründe schnell bezwingen kann. Seine momentane Höchstgeschwindigkeit ist 25 km/h—das sehr coole Vorstellungsvideo (2:09 min) sagt mir, dass mein Kindheitstraum nicht so abwegig war: WildCat + Sattel = Roboterpony! Und auch, dass wir in ein paar Jahren wahrscheinlich hochmobile robotische Helfer im Katastrophenschutz sehen werden, und der Industrie, und und und…
Ich gebe zu, die “freilaufenden” Maschinen klingen derzeit noch wie Fichtenmopeds und sind wenig elegant. Aber das wird nicht so bleiben, und neue Antriebs- und Batterietechniken werden früher oder später auch Anwendung in diesem Feld finden.
Startschuss fürs Human Brain Project!
Diese Woche sah den offiziellen Beginn eines der für mich vielversprechendsten Projekte in der Menschheitsgeschichte: das Human Brain Project (kurz HBP). Wikipedia beschreibt es kurz und bündig so:
Das Human Brain Project ist ein Großprojekt der Europäischen Kommission, welches das gesamte Wissen über das menschliche Hirn zusammenfassen und mittels computerbasierten Modellen und Simulationen nachbilden soll. Als Ergebnis werden neue Erkenntnisse über das menschliche Hirn und seine Erkrankungen sowie neue Computer- und Robotertechnologien erwartet. […] Am Projekt sind über 80 europäische und internationale Forschungseinrichtungen beteiligt. Es ist auf zehn Jahre ausgelegt und soll 1,19 Milliarden Euro kosten.
Das HBP wird seit ca. 1 Jahr vorbereitet, und konzentriert sich auf drei Forschungsfelder: Future Neuroscience (Neurowissenschaften der Zukunft), Future Medicine (Heilkunde der Zukunft) und Future Computing (neues, äh, Komputering?). Es wird in den nächsten 2,5 Jahren sechs Forschungsplattformen entwickeln, die in die Bereiche der Neuroinformatik, Neurorobotik, Hirnsimulation, Supercomputer, medizinische Informatik und neuromorphe Computer fallen. Diese Plattformen stehen dann ab 2016 den beteiligten Forschungseinrichtungen zur Verfügung; die Forschungergebnisse werden explizit und aktiv interdisziplinär ausgetauscht.
Ich glaube, nie zuvor gab es eine derartige koordinierte Initiative zur Erforschung des Hirns. Wir—als Spezies—wollen endlich detailliert wissen, wie und warum es so gut funktioniert! Und auch wenn noch nicht wirklich absehbar ist, was 2023 unterm Strich herauskommen wird, so kann man doch davon ausgehen, dass das im HBP neu erlangte Wissen viele Felder beflügeln wird. Wir werden Krankheiten besser verstehen und bekämpfen können, denn die medizinische Diagnostik und Hirnforschung kann beim HBP nur gewinnen. Und dank des besseren Verständnisses der Arbeitsweise des Hirns werden sich Informations- und Kommunikationstechnologien rasant weiterentwickeln—sehr wahrscheinlich sehen wir in ein paar Jahren neuronale Chips, eventuell bessere Hirn/Computer-Schnittstellen, möglicherweise smartere Roboter usw.
The mind boggles.
Bakterien-Minizoo
Forschern aus Austin, Texas, ist es gelungen, mikroskopisch kleine Minikäfige für Bakterien herzustellen. Dazu werden mit einem Laser in einer Art von 3D-Druck Protein-Strukturen um die Bakterien herum in Gelatin erzeugt. Diese Strukturen können dann frei bewegt werden, um gezielter und schneller das Verhalten zwischen verschiedenen Bakterienkulturen testen zu können.
Den Wissenschaftlern zufolge erlaubt das völlig neue Arten von Experimenten, in denen die Gegebenheiten in den verschiedensten biologischen Umgebungen nachgestellt werden können, z.B. die im menschlichen Körper. Eines der Langzeitziele der Gruppe ist es, besser Infektionen bekämpfen zu können.
Käfige für Bakterien aus Proteinen… Käfige für Bakterien aus Proteinen. Und ich hatte als Kind schon Probleme, meine Schildkröte so einzusperren, dass sie mir nicht dauernd davonrannte.
UltraHaptics: taktiles Feedback in der Luft
Touchscreen, Maus, Keyboard, Trackpad, Joystick: das sind Eingabegeräte, die jeder kennt. Sie bieten direktes taktiles Feedback—ich merke, dass ich das Gerät berühre, und bei einigen Geräten bekomme ich auch Rückmeldung, dass etwas passiert, z.B. bei einem Joystick mit Force-Feedback, oder einem Smartphone, das meine Eingabe mit einer Vibration quittiert.
Bei berührungslosen Eingabegeräten wird es schwieriger; sei es vor einer Xbox mit Kinect oder mit einem Leap Motion—die Information, dass meine Bewegungen erkannt wurden, bekomme ich lediglich auf dem Bildschirm, die Bewegung an sich erfolgt ohne spürbares Feedback.
Dieses Problem hat jetzt (nach eigenen Angaben) ein Team der University of Bristol’s Interaction and Graphics (BIG)-Gruppe gelöst. Ihr neues System namens UltraHaptics gibt dem Nutzer taktiles Feedback in der Luft, d.h. der Nutzer spürt, dass er etwas berührt, ohne tatsächlich etwas zu berühren. Dazu gibt ihr Gerät mehrere Ultraschallwellen in verschiedenen Frequenzen an, die sich in der Luft treffen bzw. überlagern, und dadurch spürbar werden.
(Nach §4 des DNLGB (Deutsches NewsLetter-Gesetzbuch) bin ich verpflichtet, an dieser Stelle den Film Minority Report zu erwähnen, auch wenn ich kein Fan von Tiny Tom bin. Hnnnngh.)
UltraHaptics wird heute auf dem UIST-Symposium 2013 in St. Andrews, UK, vorgestellt. Noch weiss man nichts über die mögliche Verknüpfung mit den o.g. Eingabesystemen (Kinect etc.), aber man kann davon ausgehen, dass da recht schnell etwas passieren wird.
Bonus-Video: Wer sehen möchte, wie Profis mit einem berührungslosen System wie dem Leap Motion arbeiten, schaue sich dieses feine Video von SpaceX (3:49 min) an, in dem die Firma ihre LM-gestützten Designprozesse erklärt. Heiss!
Zu guter Letzt…
Neue Hoffnung im Kampf gegen Alzheimer — In Großbritannien wurde an erkrankten Mäusen ein Medikament getestet, dass die Krankheit in den Nagern effektiv stoppte. Die Forscher nennen die Ergebnisse “sehr bedeutsam”, sagen aber auch klar, dass starke Nebenwirkungen auftraten, Tests an menschlichen Patienten noch in weiter Ferne liegen und es noch ein Jahrzehnt oder länger dauern könnte, bis ein Präparat entwickelt werden kann. (handelsblatt.com)
Dänemark hat ein Raumfahrtprogramm! — Und noch besser: es ist keine staatliche Initiative. Ein paar ambitionierte Bürger haben es sich in den Kopf gesetzt, ein ziviles Programm zu starten, und entwickeln seit mehreren Jahren erfolgreich Raketen, Kapseln, Anzüge, und alles was noch dazugehört. Alle verrückt, und ich liebe es. :) Mehr dazu gibts auf Wikipedia. (theguardian.com)
Erster Computer mit Kohlenstoffnanoröhrchen-Prozessor — An der Stanford Uni haben Forscher einen Computer entwickelt, in dessen Prozessor die Transistoren aus carbon nanotubes bestehen, und nicht wie bisher aus Silizium. Das Gerät ist nicht mehr als ein Prototyp, aber trotzdem ein großer Schritt für die Materialtechnik. (Diese Röhrchen tauchen wegen ihrer famosen Fähigkeiten derzeit echt überall auf. Ich bin so kurz davor, einen Carbon-Nanotubes-Fanshop zu eröffnen…) (wissenschaft.de)
Mittel gegen Hautkrebs beginnt klinischen Testlauf — Ein interdisziplinäres Team in den USA hat einen Impfstoff gegen Melanome entwickelt, der die Form eines Fingernagel-großen Polymer-Schwämmchens hat und subdermal implantiert wird. Die ersten Tests an menschlichen Hautkrebs-Patienten haben bereits begonnen. Da sich in vorangegangenen Tierversuchen bei der Hälfte der Mäuse die Tumore vollständig zurückgebildet haben, sind die Forscher dementsprechend hoffnungsvoll. (seas.harvard.edu)
Wissenschaftler des MIT und der Harvard-Universität entwickeln eine komplett neue Form von Materie — Dazu haben sie einfach Photonen aneinander gebunden, die sich daraufhin so verhielten, als hätten sie Masse. Easy! Und da einige dieser Elementarteilchen von Menschen als Licht wahrgenommen werden, beschreiben es die Kollegen vom Standard popkulturell bedeutsam als “Grundlage für Lichtschwerter”. NERDS. (scitechdaily.com)