Neues aus der Zukunft #2

Eine neue Woche, eine neue Ausgabe! Die Resonanz auf meinen kleinen Newsletter hier hat mich positiv überrascht—ca. 200 neue Subscribers sind seit der ersten Ausgabe vor 7 Tagen hinzugekommen, was mich durchaus beflügelt. Danke auch für Dein Interesse!

Mein persönliches Highlight in dieser Ausgabe ist das kurze Profil zu SpaceX’ Grasshopper-Projekt. Bei SpaceX muss ich immer aufpassen, dass ich mich vor Begeisterung nicht überschlage—diese Firma setzt bei mir alle Häkchen in den richtigen Checkboxen. :)

Hinter den Kulissen experimentiere ich mit dem Newsletter-Format noch etwas herum. Da nicht jede Woche mit unglaublich großartigen Meldungen gespickt ist, wie mir in der letzten Tagen klar wurde, werde ich hin und wieder auch mal Meldungen vergangener Monate aufgreifen und/oder ein Thema etwas umfassender behandeln. Eventuell gibts in der nächsten Woche auch eine Handvoll Kurzmeldungen (ein Link + ein Satz) zusätzlich; wir werden sehen.

Wenn Du Fragen, Vorschläge oder Beschwerden zum Newsletter-Format oder konkreten Themen hast, schreib mir eine Mail an carlo@neues-aus-der-zukunft.de! Und wenn Dir diese Ausgabe gefällt, empfiehl sie bitte weiter oder teile sie auf Twitter, Facebook oder Google+ (die Links dazu findest Du am Ende der Mail).

Bis nächste Woche, —Carlo.

PS: Ich bin kein Wissenschaftler, nur ein interessierter Amateur, und auch wenn ich alle Zusammenfassungen nach bestem Wissen und Gewissen schreibe, so können sich doch Fehler einschleichen. Wenn ich groben Unfug verzapft habe, lass es mich bitte wissen. :)


Anti-Pilz-Medikament tötet HIV-Zellen (in Zellkulturen)

Ein weitverbreitetes Antimykotikum (Arzneimittel zur Behandlung von Pilzinfektionen) namens Ciclopirox tötet effektiv HIV-infizierte Zellen ab, wie eine neue Studie der Rutgers New Jersey Medical School belegt. Anders als bei herkömmlichen Anti-HIV-Blockern wäre ein Patient nicht ein Leben lang auf ein entsprechendes Medikament angewiesen, sondern könnte es nach der Behandlung absetzen, da es die Infektion nicht nur eingedämmt und unterdrückt, sondern umfassend ausgemerzt wird. Ciclopirox geht den virulenteren, ansteckenderen Haupterreger von AIDS an, HIV-1.

Die Studie bezieht sich auf Experimente an Zellkulturen, Tests mit menschlichen Patienten stehen noch aus. Da der Arzneistoff jedoch schon seit Jahrzehnten in einer Vielzahl von Medikamenten eingesetzt wird, sind die Forscher zuversichtlich, dass derlei Tests schnell von den Behörden zugelassen werden.

Quelle: Rutgers New Jersey Medical School.


Bionische Beinprothesen

2009 verlor Zac Vawter bei einem Motorradunfall sein rechtes Bein, das über dem Knie amputiert werden musste. Vier Jahre und 8 Millionen USD später (die die U.S. Army im Rahmen eines Forschungsprogramms zur Verfügung stellte) ist er der Tester für eine neue bionische Beinprothese.

Die Forscher vom Center for Bionic Medicine in Chicago, USA, konzentrierten sich in der Entwicklung auf die Nervenbahnen, über die der Körper Steuersignale zum Knie und zum Knöchel des Patienten schickt—die “Empfänger” mögen zwar nicht mehr vorhanden sein, das Hirn sendet die Signale aber weiterhin aus. Das künstliche Bein registriert diese Nervenimpulse über Sensoren am Beinstumpf, wertet sie aus, und setzt die Informationen in aktive Bewegungen im neuen Knie und Knöchel um.

Der Prototyp erlaubt es seinem Träger, Steigungen und Stufen zu nehmen, sowie sich zu setzen und aufzustehen, ohne irgendwelche Schalter oder Knöpfe bedienen zu müssen. Das ist ziemlich weit weg ist von üblichen, einfachen Prothesen. Dem Träger wird damit sehr viel Freiheit und Lebensqualität zurückgegeben. ( Das kurze Video zum Projekt (0:49 min) ist sehr beeindruckend.)

Bonus-Links: Der Markt für “intelligente” Prothesen ist (leider) größer als man denkt. Objektiv betrachtet gibt es in diesem Feld in den letzten Jahren aber wirklich tolle Entwicklungen. Für mehr “Whoa!”-Momente empfehle ich, Össur’s POWER KNEE anzuschauen (“User Stories”!) oder auch MIT’s Hugh Herr’s Google Zeitgeist-Präsentation (Video, 13:39 min).

Quelle: Stanford Engineering.


Energie aus Abwasser

Ein interdisziplinäres Team von Technikern an der Stanford University hat einen “mikrobischen Akku” entwickelt, der auf natürlich vorkommenden Bakterien basiert, die organische Abfälle in Biotreibstoff und Elektrizität umwandeln.

Der Prototyp der Forscher besteht aus einem Glas mit Abwasser, in dem zwei Elektroden stecken, eine negativ und eine positiv geladene. Die sog. exoelektrogenischen Bakterien kletten sich an die negativ geladene Anode, und geben während des Mümmelns Elektrizität ab, die von der positiv geladenen Kathode eingefangen wird.

Wenn wir Menschen eine Sache extrem gut beherrschen, dann ist es die Produktion von organischem Müll in allen Formen und Farben. (Menschen sind toll.) Dem Stanford-Team schwebt dementsprechend auch ein möglicher Einsatz in Klärwerken vor—ihr Prototyp erlaubt die Rückgewinnung von ca. 30% der im Abwasser gespeicherten Energie, und sie denken, dass bei einem industriellen Einsatz ihrer Idee diese Energie z.B. auch von den Klärwerken selbst genutzt werden könnte.

Bis dahin stehen aber noch einige weiterführende Experimente und Verfeinerungen an. So besteht derzeit u.A. des Prototyp’s Kathode aus Silveroxid, die Verwendung von Silber im großen Stil aber wäre wenig wirtschaftlich.

Quelle: Stanford Engineering, via SciTechDaily.


Transparente Photovoltaik

Das französische Unternehmen SunPartner Technologies hat ein durchsichtiges Material namens Wysips Crystal vorgestellt, das natürliches und künstliches Licht in photovoltaischen Strom erzeugt und vom Hersteller für den Einsatz z.B. in Smartphones und Tablets vorgesehen ist. Das Material wäre Teil des Displays; SunPartner gibt an, dass eine solche Schicht bei 90% Transparenz ca. 2,5 Milliwatt/cm² erzeugen würde, was ~3 min zusätzlicher Akkuleistung bei 10 min Lichteinstrahlung bedeuten würde.

SunPartner hat im Juli die Zusammenarbeit mit dem chinesischen Elektronikhersteller TCL Communication bekanntgegeben, der die Wysips-Technologie in seinen Smartphones einsetzen will. Und im Aerospace-Sektor kommt das verwandte Wysips Glass der Firma in stromerzeugenden Flugzeugfenstern von Vision Systems (PDF) zum Einsatz (die sog. Energia-Fenster werden auf der Flugzeugmesse NBAA 2013 Ende Oktober vorgestellt).

Je mehr ich über diese Technologie nachdenke, desto cooler finde ich sie. Fenster und Glasflächen sind überall, ich sehe da so viele Möglichkeiten…


Wirtschaftlichkeit… IN SPACE

Was sieht aus wie eine 32 m hohe, schlanke Tonne, und hat vier Beine plus Raketenantrieb? Ein Grashüpfer! (Tusch.) Das Grasshopper-Projekt von Space Exploration Technologies (SpaceX) ist der experimentelle Prototyp eines wiederverwendbaren suborbitalen Transportfahrzeugs, sozusagen einer “Mehrfach-Rakete”. Seit 2011 wird daran gearbeitet, und seit dem ersten Take-Off im letzten Jahr hat Grasshopper insgesamt schon 7 Testflüge hinter sich gebracht. Die Flüge bestehen im Moment noch aus mehr oder weniger kurzen “Hüpfern”: Grasshopper zündet, steigt ein paar Meter in die Luft und landet selbständig und aufrecht stehend. Die Flugzeit betrug bisher je nach Test zwischen 3 und 68 sek bei einer max. Flughöhe von 325 m. Hier ist ein sehenswertes Video des Testflugs im Juni (1:26 min).

Wozu der Aufwand? Weil es absolut unwirtschaftlich ist, “Wegwerf-Raketen” zu bauen. Laut dem Gründer von SpaceX, Elon Musk, machen Treibstoff und Sauerstoff nur ca. 0.35% der Kosten eines Raketenstarts aus ( Video, 1:36 min). Die restlichen $56,3 mio für den Start einer SpaceX- Falcon 9-Rakete gehen für das eigentliche Gefährt drauf. (Musk vergleicht traditionelle Startmethoden auch mit dem Verschrotten einer 747 nach ihrem ersten Flug.) Das erklärte Ziel von SpaceX ist deshalb auch die Wiederverwendbarkeit der Raketen—die einzelnen Stufen würden nach dem Abliefern ihrer Ladung nicht in der Atmosphäre verglühen oder ins Meer stürzen, sondern eigenständig für den nächsten Einsatz zur Basis zurückkehren. Je öfter sie benutzt werden können, desto niedriger werden dementsprechend auch die Kosten pro Start. Elon Musk ist fest davon überzeugt, dass die Menschheit eine multiplanetare Spezies werden muss, um auf lange Sicht zu überleben, und komplett wiederverwendbare Raumfahrzeuge sind dafür unerlässlich.

(Ich stimme ihm in diesem Punkt übrigens 100%ig zu! Allerdings hat er etwas mehr Geld, Talent und Visionen als ich, und arbeitet darum aktiv an diesem weltbewegenenden Projekt, während ich einen Newsletter herausbringe. Hmm. Äpfel und Birnen… Äpfel und Birnen!)

SpaceX entwickelt derzeit die nächste Version des Grasshopper (“1.1”), die neun statt einem Raketenmotor besitzt, sowie größer und komplexer als ihr Vorgänger ist. (Das Design der Prototypen wird damit der Falcon 9-Rakete angepasst, die schon mit Wiederverwendbarkeit im Hinterkopf entwickelt wurde und derzeit u.A. die internationale Raumstation ISS beliefert.) Für diesen erweiterten Prototypen sind die ersten Testflüge für Anfang 2014 geplant, er soll Flughöhen bis zu 91 km erreichen. Ich bin sehr gespannt!

Bonus-Link: ein Video vom Grasshopper-Test im August (1:10 min), bei dem laterale Manövrierfähigkeit sowie Panikmache unter Kühen getestet wurden. Fachwelt und Internet waren gleichermaßen entzückt.

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Carlo Zottmann @czottmann