Vorgestern bin ich im Biergarten der Alten Messe zum Mittag. Der Biergarten ist nahezu leergefegt; die Mittagszeit ist eigentlich schon vorbei.
An der Ausgabe entscheide ich mich für Bratwurst mit Sauerkraut. Großer Teller, große Wurst, große Portion Sauerkraut. Lecker! Fix bezahlt und einen Tisch gesucht. Ein paar Meter weiter sitzt ein älterer Herr über einen Masskrug gebeugt; mit einem kurzen Nicken bestätigen wir uns gegenseitig unsere Existenz zu dieser Stunde, an diesem Ort.
Ich setze mich, reisse mein Senftütchen auf—und muss feststellen, dass ich versehentlich Mayonnaise1 gegriffen habe. Mon dieu! Entschlossen stehe ich auf, gehe zur Ausgabe, nehme mir ein Senftütchen, drehe mich um…
…und sehe einen Raben auf meinem Teller sitzen.
Kurz nachgedacht: Nein, ich kann mich nicht entsinnen, den gekauft zu haben. Was geht da vor?!
Ich mache einen Schritt auf meinen Tisch zu. Zehn Meter trennen mich von meinem Ziel.
Der Rabe schaut mich an. Ich schaue den Raben an.
[Tumbleweed fliegt durchs Bild.]
Seine kleinen schwarzen Knopfaugen mustern mich.
Ich mache noch einen Schritt.
Der Rabe greift meine Wurst mit dem Schnabel und fliegt davon.
…
WAS. ZUM. TEUFEL.
Ich bin dann zu meinem Tisch gegangen, hab die Fußspuren in meinem Sauerkraut begutachtet, mich auf- und danach wieder abgeregt, hab die Dame an der Kasse danach gefragt, wo ich den Rest meines Essens entsorgen kann, und ihr auf Nachfrage die letzten vier Minuten meines Lebens kurz zusammengefasst. Als ich auf ihr “Ja, wollen’s a naie Portion?” hin antwortete, dass mein Budget für die Pause aufgebraucht sei, überlegte sie kurz, und gab mir trotzdem einen neuen Teller, aufs Haus. Das nenn ich mal Dienst am Kunden! Dafür gibts zwei Pluspunkte.
Ich denke, dies war meine bizarrste Mittagsgeschichte bisher. Verdammtes Rabenviech.
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Es wird immer “Mayonnaise” heissen. Der Tag, an dem ich die sog. “neue Schreibweise” benutze, wird der Tag sein, an dem das Abendland untergeht. ↩︎