Heute auf dem Heimweg traf ich an der Bushaltestelle einen mir unbekannten jungen Mann. Ungefähr Mitte 20, geistig behindert, sehr freundlich, trug ein Spielzeugstethoskop um den Hals und einen Spielzeug-Erste-Hilfe-Koffer in der Hand.
“Ich arbeite hier!” sagte er zur Begrüßung und zeigte nicht ohne Stolz über die Schulter.
“Hallo.” antwortete ich ihm. “Ehrlich? Wo denn?”
“Da, beim Roten Kreuz!” und grinste.
“Oh, da helfen Sie dann Kranken?” – “Ja!” – “Klasse, find ich gut.” entgegnete ich und grinste zurück.
Wir unterhielten uns dann noch eine knappe Minute, bis mein Bus kam und wir uns gegenseitig ein schönes Wochenende wünschten. Er fands gut, dass er es jemandem mitteilen konnte, der ihn nicht wie einen Deppen behandelte—während mir klarwurde, dass wir anscheinend die eine oder andere Sache gemein haben. Wir mögen leicht unterschiedlich verkabelt sein im Kopf, okay. Aber sonst?
Ich bin mir durchaus bewußt, dass er vermutlich kein ausgebildeter Mediziner war, natürlich. Aber offensichtlich hatte er ein Interesse und auch Freude daran, der Welt mitzuteilen, dass er… ja, was eigentlich? Wirklich dort arbeitete? Die Leute beim Roten Kreuz besucht hat? Dort behandelt wurde und die Idee gut fand, Arzt zu sein?
Ich weiss es nicht. Ich weiss nur, dass ich die gleiche Begeisterung, die er ausstrahlte, auch schon öfters in mir hatte. Zum Beispiel, als ich meine letzten Vorstellungsgespräche “gewonnen” habe. Oder feststellte, dass ich etwas kann, von dem ich nicht wusste, dass ich es kann. Oder mal wieder irgendein Problem besiegt habe.
Echte Freude, das war es, was ich da sah. Ansteckende Freude. Die Gründe dafür kenne ich nicht. Aber das vermindert die Erfahrung nicht. Ich kenne den Mann nicht, und ich bild mir nicht ein, dass wir jetzt Freunde sind und ich mit allen geistig Behinderten voll total tight bin und so. Aber so klein und unbedeutend die Begegnung am Ende auch war, so hat sie mich doch zumindest für heute ein wenig positiv beeinflußt. Wer weiss, ihn eventuell auch.
Und das ist doch schonmal was. Gute Nacht.