Fresh in Flensburg #24: Heimat

Beim letzten Besuch bei meinen Eltern erzählte mein Vater von einem Bekannten, der auch aus dem Harz weggezogen ist und seit über 20 Jahren in München lebt. Die Mutter, seine letzte Angehörige, hatte vor einiger Zeit das Elternhaus im Ort verkauft und war in ein nicht weit entferntes Dorf umgezogen. “Das muss ja seltsam sein, wenn man dann so heimatlos ist."

Ummm.

Ich finde nicht, dass er heimatlos ist. Für mich ist Heimat der Ort, an dem ich lebe und mit dem ich mich verbunden fühle, also mein Lebensmittelpunkt — daher ist für mich diese Aussage falsch. Ich komme aus dem Harz: als ich dort lebte, war es meine Heimat, für viele Jahre danach war München meine Heimat, jetzt ist es die Förde.

Sonnenuntergang am Fördestrand bei Meierwik
Heimat. Selbst gewählt! Das Foto entstand ~3 km von unserer Couch entfernt.

Anders gesagt: “Herkunft” ist das Dock, in dem mein Boot gebaut wurde und wo es ins Wasser gelassen wurde; “Heimat” ist der Ort, an dem ich den Anker auswerfe. Wenn man dort wohnt, wo man geboren wurde, können die Fragen nach Herkunft und Heimat zwar identisch beantwortet werden, aber es sind trotzdem zwei verschiedene Konzepte.

Wenn ich einen Ort als “Heimat” bezeichne, dann drücke ich damit Commitment aus. Ich lasse mich voll darauf ein, ich bin hier, ich bin präsent.

Aber wenn z.B. eine schon lange in München lebende Person sagt, ihre Heimat sei Leipzig, klingt das für mich immer nach “ich wäre viel lieber in Leipzig”. (Egal, ob sie es so meint oder nicht. Und beides ist okay, mind.)

Mich irritiert die sprachliche Unschärfe. 😉


Dieser Post ist Teil meines “Fresh in Flensburg”-Newsletters. Ab Mitte April 2022 schreibe ich für knapp 6 Monate jede Woche eine Mail mit Eindrücken, Erlebnissen und vielleicht auch Fotos zu und aus “meiner” neuen Stadt. Ausgabe #25 wird das Staffelfinale.

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Carlo Zottmann @czottmann